
„Behemoth“
Autoren: T.S. Orgel
423 Seiten / eBook
ISBN: 3453321138
Verlag: Heyne
[Werbung, da Rezensionsexemplar]

Die Erde ist in ferner Zukunft unbewohnbar geworden. Die einzige Hoffnung der Menschheit sind drei riesige Generationenschiffe, die sich ein kosmisches Rennen zum nächsten habitablen Planeten liefern. Im Laufe der langen Reise haben sich die Besatzungen immer weiter auseinander entwickelt. Als sie plötzlich auf ein Raumschiffwrack treffen, entbrennt ein Konflikt zwischen den drei Schiffen, denn wer die Ressourcen des Wracks kontrolliert, kann das Rennen zur neuen Erde gewinnen. Aber niemand ahnt, was es mit dem toten Schiff wirklich auf sich hat …

„Behemoth“ ist der zweite Science Fiction-Roman der Gebrüder Orgel und ich war ehrlich gespannt, was sie sich dieses Mal haben einfallen lassen.
Der Klappentext klang sehr vielversprechend und die ersten 200 Seiten haben mich komplett eingesogen. Habe ich in meiner Rezension zu ihrem ersten Scifi-Werk Terra noch bemängelt, dass mir die Figuren zu distanziert wirkten, passte hier einfach jede Figur total gut. Die ersten 200 Seiten waren einfach rundum stimmig. Die Figuren waren vielschichtig und interessant. Das Worldbuilding – absolut top. Überhaupt glänzen die beiden Autoren beim Thema Worldbuilding und schaffen mit ihren geschriebenen Worten eine in sich schlüssige Welt und eine beeindruckende Atmosphäre. Die Szene auf dem Mars hatte einen angenehmen Gruselfaktor, den ich gar nicht erwartet hatte.
Was mir wirklich sehr gefallen hat ist die Tatsache, dass die Figuren fast durchweg nicht die stereotypisch weißen Männer waren, sondern wir mit Laohu einen Chinesen, mit Rangi einen Maori, mit Assa eine lesbische Figur präsentiert bekommen. Diesen Figuren bin ich wahnsinnig gern durch die Geschichte gefolgt. Ebenso Tiali und Helen Hopper. Jede davon war sehr ausgefeilt und glaubhaft und vor allem sympathisch.
Auf allen 3 Weltenschiffen haben sich verschiedene Gesellschaften entwickelt. Während auf der Zheng He die Menschen abhängig von ihren Genen entsprechend der chinesischen Tierkreiszeichen in Schichten kategorisiert leben, herrscht auf der Tereschkova diktatorisches Chaos. Auf dem dritten Schiff, der Venta Chitru gibt es nur eine rudimentäre Crew von ca. 200 Menschen, während die restlichen Passagiere im Kälteschlaf liegen. Auf allen 3 Weltenschiffen haben sich schräge Ansichten über die Bewohner der anderen Schiffe verbreitet. Gerüchte, die nur teils korrekt waren, aber dazu beitrugen, dass zwischen den Bewohnern der 3 Schiffe eine ausgeprägte Rivalität herrschte und jede Figur mit eigenen Vorurteilen auf die andere traf.
Leider konnten die Autoren das hohe Niveau der ersten Hälfte nicht durchgehend halten. Als die 3 Weltenschiffe auf die Behemoth stoßen und ihre Shuttle entsenden, sackte es für mich sehr ab. Die Figuren verlieren an Farbe, die Handlungen und Aussagen sind teils widersprüchlich und die Actionszenen mögen in Filmen funktionieren, aber nicht für mich im Buch.
Es gab einige Szenen, die für mich als Leserin in sich nicht schlüssig waren und wo sich mir die Frage nach dem offensichtlichen elephant in the room stellte, der einfach ignoriert wurde.
Dazwischen glänzte aber immer wieder das Worldbuilding und es gab auch ruhigere Passagen, wo die volle Bandbreite der Figuren wieder richtig zum tragen kam. Besonders die Dialoge zwischen Laohu und Tiali stachen dabei hervor.
Das große Finale am Ende brachte einige Wendungen, die nicht direkt absehbar waren, aber auch hier haben mich die Actionszenen zu sehr aus dem Lesefluss herausgerissen. Die haben für mich einfach gar nicht funktioniert.
Insgesamt bekam ich auch hier bei diesem Buch starke Expanse-Vibes, was auch schon bei „Terra“ der Fall war. Besonders die Entwicklung der Menschen auf Mond und Mars in einem Rückblickkapitel, die physischen Besonderheiten und die sich entwickelte Sprache aus der Vielfalt der mitgebrachten Sprachen, haben diesen Eindruck verstärkt. Was aber natürlich kein Kritikpunkt ist, denn genau solche Dinge mag ich an guter Scifi sehr gern.

Alles in allem lässt mich „Behemoth“ mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Bis zum Treffen der Figuren auf dem Alienschiff war das Buch wirklich große Klasse und versprach sehr viel. Leider ging es ab da dann holprig abwärts. Das fand ich persönlich sehr schade, denn wäre das Niveau gleichgebelieben, wäre dieser Roman ein neues Lesehighlight geworden. Leseempfehlung – ja, kann man lesen. Ist unterhaltsam. Hat aber für mich deutliche Schwächen.
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