„The Plus One – Sie baut sich Mr. Right einfach selbst“
Originaltitel: The Plus One
Autorin: Sarah Archer
263 Seiten / eBook
ISBN: 3453320336
Verlag: Heyne
[Werbung, da Rezensionsexemplar]

Kelly ist neunundzwanzig, Roboteringenieurin, brillant, ehrgeizig – und Dauersingle. Als die Hochzeit ihrer Schwester bevorsteht und Kelly wieder einmal am Katzentisch zu enden droht, schreitet sie zur Tat und baut sich ihren Traummann einfach selbst! Ethan ist groß, gut aussehend, charmant und witzig. Und er versteht Kelly wie kein Zweiter auf dieser Welt. Kein Wunder, schließlich hat sie ihn ja höchstpersönlich programmiert. Doch dann passiert etwas, das Kelly nie für möglich gehalten hätte: Sie verliebt sich in Ethan, den Roboter …

Ich bin nicht die Zielgruppe des Romans. Er ist auch nicht mein bevorzugtes Genre, wenn man es genau nimmt. Viele eher negative Rezensionen haben mich sehr neugierig gemacht und die Leseprobe hatte mich dann doch überzeugt. Bei unter 300 Seiten kann man ja eigentlich nicht viel falsch machen.

Das Buch war entsprechend super schnell gelesen. Der Schreibstil ist sehr flüssig und unterhaltsam. Als ausgeprägte Neurotikerin, Kopfkarussellkünstlerin und Kontrollfreak auf dem Weg der Besserung fesselte mich das Buch von der ersten Seite an.

Auch wenn ich die Protagonistin Kelly ab und zu gern geohrfeigt hätte, so war es doch sehr, sehr unterhaltsam ihren extremen Gedankengängen zu folgen. Erschreckender ist eher die Tatsache, dass Sarah Archer mit ihrer Protagonistin mich selbst so genau beschreibt, wie ich vor 10 Jahren war. Nur, dass ich mir damals keinen Roboter kaufte, sondern mir einen Hund zulegte, mein Leben umkrempelte und mich meinen Ängsten und meinen Gefühlen stellte. Ganz so, wie Kelly es im Laufe dieses Buches tat.

Ich denke, ich hätte es der Autorin auch arg übel genommen, wenn sie die Geschichte am Ende anders hätte enden lassen, als sie es tat. Denn das Ende der Geschichte ist genauso, wie es sein soll. Es ist richtig.

Roboter Ethan ist bei dem ganzen für mich (und ich denke auch für die Autorin selbst) eigentlich nur ein Nebenaspekt, der es der Protagonistin ermöglicht, ihr Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen. Es ist einfach wunderbar, ihre verschrobenen Gedanken zu beobachten und zu sehen, wie sie als Mensch wächst, reift und erkennt, dass man sein Glück eben einfach selbst in die Hand nehmen muss. Letzteres meine ich nicht, dass sie sich Ethan baut, sondern dass sie aus den Aussagen und dem Verhalten ihrer Freunde und Familie tatsächlich lernt und für sich selbst etwas ändert. Ethan ist hier nur Stilmittel und Werkzeug als treibende Kraft.

Selbst die Ansage, die Kelly von dem Psychologen erhält, der eigentlich ihre Entwicklungsarbeit im Roboterbereich unterstützen soll, erinnert mich sehr an das, was ich damals von meinem gehört habe. Ja, ich habe 2 Jahre Therapie gebraucht und dann noch einige weitere Jahre, die in der Therapie erhaltenen Werkzeuge auch wirklich im Leben für mich zu nutzen.

Ein weiteres Thema in dem Buch beschäftigt sich mit dem Druck auf Frauen, endlich zu heiraten. Dies geschieht im Roman direkt durch Kellys Mutter und indirekt durch die Äußerungen und das Verhalten von Kellys Umfeld, nachdem Ethan an ihrer Seite war. Es wird an einigen Stellen sehr überspitzt gezeichnet, aber der Grundtenor ist dennoch nicht weniger wahr.

Als fast 42 jährige Frau, die immer noch unverheiratet ist, kann ich davon ein Lied singen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass diese Einstellung zur Ehe hier weniger extrem ist, wie in den USA. Trotzdem kenne ich die Fragen nach Hochzeit, Ehe, Kindern. Als ich meine beste Singlezeit mit Anfang 30 begann, waren viele verblüfft, dass ich in dem Alter lieber Single sein will. Ich bin dankbar, dass ich damals die Kraft hatte, diesen Schritt für mich zu gehen, mich aus einer ungesunden Beziehung zu befreien und endlich mal MICH als Mensch kennenzulernen.

Drei schöne Sätze im Buch haben das gut zusammengefasst:

Beide hatten sie gefordert, aber auf eine Art, die ihr ein schlechtes Selbstwertgefühl gegeben hatte. Sie hatten am College und bei der Arbeit Erfolgsstandards gesetzt, die Kelly kaum erfüllen konnte, und Beziehungsmodelle konstruiert, in denen sie sich nicht wiederfand.

So ungefähr ging es mir. Ich war immer in Beziehungen, konnte mich aber nie zum Heiraten durchringen. Mein Selbstwertgefühl entsprach dem Kellys, auch wenn ich meinen Mangel daran in Laut sein und unverschämt sein kompensierte.

Der nächste Satz brachte dann mal eben mein aktuelles Liebesleben auf den Punkt:

Ethan forderte sie auch, aber auf eine Art, die ihr tatsächlich ein gutes Gefühl gab.

Herrn Schnute musste ich nicht bauen. Den gab es schon so fertig. Und er ist der erste Mensch in meinem Leben, der positiv ist. Der meine Witze, die ich über mich selbst mache, um mich kleiner zu machen, als ich bin, nie dafür nutzt, noch eines drauf zu setzen sondern mir entweder gleich sagt, dass es ein Schmarrn ist oder sie sogar in etwas positives umwandelt.

„The Plus One“ ist in meinen Augen ein Buch, das Menschen gefallen wird, die so ähnlich ticken oder getickt haben wie ich oder Kelly. Es ist kein Liebesroman, kein Scifi-Roman, sondern ein Erwachsenwerden-und-sich-selbst-finden-Roman für Spätzünder. Und das hat mir gefallen. Sehr sogar.

Positiv fand ich auch die Nebenfiguren und zwar ausnahmslose alle. Kellys Familie und die Liebe und Unterstützung, die sie für einander haben, ist wunderbar. Auch Priya, Kellys beste Freundin und Robbie, Kellys Exfreund fand ich nachvollziehbare und glaubwürdige Figuren.

„The Plus One“ hat mich sehr gut unterhalten und mich an vielen Stellen auf mein eigenes Leben zurückblicken lassen. Ich kann mir vorstellen, dass die Mehrheit der Leser damit nichts wird anfangen können, immerhin ist nicht jeder ein durchgeknallter, neurotischer Kontrollfreak. (Denkt dran, Ihr seid damit nicht allein.) Aber wer Wert auf eine gute und glaubwürdige Charakterentwicklung legt, wird hier bei Kelly durchaus fündig werden.

2 Kommentare zu „Archer, Sarah – The Plus One – Sie baut sich Mr. Right einfach selbst

  1. Gut für dich, dass du dich mit 30 befreit hast!
    Ich habe mich mit 30 durch die falschen Gründe in eine Ehe begeben, in der ich viel zu lange blieb, denn meine Generation (eine vor dir) war ja so erzogen, dass man nicht so schnell aufgibt, egal wie schlimm es ist. Aber auch die Jahre waren natürlich lehrreich … und Kelly macht mich neugierig … 😉

    • ja, diese Einstellung habe ich ja eigentlich auch. Deswegen haben die Beziehungen auch immer viel zu lange gedauert, bis ich den Mut hatte, es zu beenden. In der Hinsicht ist es schon erschreckend, wie stark der Druck der Gesellschaft und des Umfelds manchmal ist. Ich finde es gar nicht so schlimm, wenn junge Leute heutzutage schneller erkennen, ob etwas für sie funktioniert oder nicht. Aber es hat sehr lange gedauert, bis ich erkannt habe, wie manipulativ meine letzte Beziehung war. Da wünschte ich mir, ich hätte bereits zu Anfang die Zeichen erkannt und es gar nicht erst soweit kommen lassen.

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