1 Jahr, 11 Monate und 2 Tage.

So lange hat es gedauert, 80 Werke von Stephen King zu lesen. Und ich kann es immer noch nicht fassen, aber ich bin fertig mit meinem King-Projekt (die Gesamtübersicht)

Ich glaube, es gibt nur ganz wenige Menschen, die noch nie etwas von Stephen King gehört haben. Selbst wenn man keines seiner Bücher gelesen hat, sagt einem doch zumindest der Name etwas.

Ich selbst habe lange gegrübelt, ob ich überhaupt einen anderen Autor kenne, der soviele Werke geschrieben hat. 80 ist nämlich nicht gerade wenig, und dabei habe ich mich nur auf die auch in Deutschland veröffentlichten Sachen versucht zu konzentrieren.

Selbst wenn man nur die vollen Romane nimmt, kommt man auf 57 Stück. Rechnet man Gwendys Wunschkasten, Erhebung und Colorado Kid dazu, die ich persönlich aufgrund ihrer Kürze bei den Novellen einordne, ergibt das 61 Bücher. Aber auch seine Kurzgeschichtensammlungen können sich sehen lassen.


Das King-Projekt in Zahlen

  • 57 volle Romane
  • 10 Kurzgeschichtensammlungen mit insgesamt 132 Kurzgeschichten oder Novellen
  • 10 einzelne Kurzgeschichten oder Novellen
  • 2 Sachbücher
  • 1 Drehbuch

=> 80 Werke!


Das kürzeste Werk hat 6 Seiten,
das längste Werk 1.711.
Insgesamt habe ich für dieses Projekt 45.481 Seiten gelesen.
Das macht auf 80 Werke verteilt einen Durchschnitt von 568 Seiten.


Da ich das tatsächlich schon ein paar Mal gefragt worden bin, wie ich mich jetzt fühle, da es vorbei ist.

Einerseits bin ich brutal erleichtert, dass es geschafft ist. In gewisser Weise entstand schon eine Art Druck, das durchziehen, besonders bei Büchern, deren Prämisse mich eigentlich gerade nicht interessierte. Abgesehen davon kann ich jetzt ganz entspannt auf die nächsten Werke aus seiner Feder warten, weil ich alles andere ja schon kenne.

Andererseits ist es auch ein komisches Gefühl. Bis ein neuer Roman rauskommt, werde ich von Stephen King also nichts neues mehr lesen.


Was ist mein Lieblingsbuch aus den 80 Werken?

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Woran macht man Lieblingsbuch fest? Wenn ich rein danach gehe, welche Figuren ich gern wiedersehen würde, dann muss ich Der Outsider als klaren Favoriten benennen, weil Holly Gibney in meinen Augen einfach die genialste Figur ist, die Stephen King je geschrieben hat. Dabei ist der Roman selbst besonders im Hinblick auf das Ende nicht ganz so stark wie manch andere von Kings Werken, aber Holly rettet quasi dieses Buch! Ich bin ein Holly Gibney Fangirl!

Aber auch In einer kleinen Stadt (Needful Things) finde ich immer wieder gigantisch. Und auch aus der Dunkle Turm-Reihe war Wind ein Favorit, den ich erneut lesen würde. Außerdem Atlantis und Love. Diese beiden Bücher fand ich einfach nur toll, wobei letzteres in meinen Augen Kings bestes Werk ist.


„Also seine alten Bücher waren besser!“

Das ist tatsächlich ein Argument, das mir in den letzten zwei Jahren sehr oft untergekommen ist. Ich weiß gar nicht so richtig, was damit gemeint sein soll, aber irgendwas werden sich die Leute wohl dabei denken. Ich kann Kings einmal rein nach meinem persönlichen Geschmack beurteilen, wie sie mir gefallen haben. Das war von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Ich habe aber auch festgestellt, dass sich Kings handwerkliches Können in seinen Romanen definitiv weiterentwickelt und durchaus verbessert hat. Also, jetzt mal ganz abgesehen davon, dass er ein hervorragender Geschichtenerzähler ist.


„King kann keine Frauen schreiben. Und gibt sich dabei auch keine Mühe.“

Ich gestehe, bei der ersten Aussage tendiere ich dazu, zu 60% zuzustimmen. Es gibt weibliche Figuren in seinen Werken, bei denen ich mich frage, was er sich dabei bloß gedacht hat. Auch Kings Art, weibliche Figuren zu beschreiben, kann man zum Großteil als Perspektive des alten, weißen Mannes bezeichnen. Dass er sich allerdings keine Mühe gibt, kann ich persönlich so überhaupt nicht unterschreiben. Da ist mein Eindruck ein gänzlich anderer. Besonders, wenn man sich seine neueren Werke anschaut und auch die Dinge, die er da anfasst, vor denen andere Autoren zurückschrecken. Holly Gibney, eine Frau mitte 40 mit psychischen Problemen und Zwangsstörung, rettet dem straight white old dude-Protagonisten das Leben. Und jeder Menge anderer Leute! Habe ich schon erwähnt, dass Holly die genialste Figur ist, die King meiner Meinung nach geschrieben hat?


„Ja, aber er kaut soviele Klischees wieder“

Stimmt. King schreibt echte Menschen und diese Figuren interessiert es einen Scheißdreck in welcher Bubbel wir Leser leben. Ich finde auch, dass es Kings größtes Talent ist, Figuren so lebensecht zu zeichnen, als wären es Menschen von nebenan. Klar könnte er dabei diverser sein, aber hey, der Mann ist 71 und hat jetzt auch immerhin schon andere Protagonisten in seine Romane eingebunden, die man so nicht mal eben in jedem Roman von Autoren seines Alters findet. Change doesn’t happen over night und so!

Seine Figuren sind echte Menschen mit allen Fehlern, Macken, Eigenschaften, Ideologien, wie wir alle auch. Allein, dass er diese Figuren so real zeichnet, finde ich persönlich einfach beeindruckend.

King selbst erhebt keinen hohen literarischen Anspruch an seine Werke, deswegen tue ich das ebenfalls nicht. Und manchmal stören mich die Klischees nicht, während sie mich an anderen Stellen in den Wahnsinn treiben.


Bei welcher Geschichte hast Du Dich am meisten gegruselt?

Ha, Im Hohen Gras dicht gefolgt von Kinder des Mais und Das Schreckgespenst, beide in Nachtschicht enthalten.


Welches Buch hat Dir denn so überhaupt nicht gefallen?

Sleeping Beauties und Das Monstrum – Tommyknockers haben mir überhaupt nicht gefallen. Auf beide hätte ich verzichten können.

Auch Sara fand ich eher enttäuschend, aber da vorrangig deswegen, weil King hier ein heftiges Thema auf eine Art und Weise behandelte, die mir arges Bauchweh verursachte.


Wirst Du auch in Zukunft einen King-Roman lesen?

Ja, definitiv. Zu wissen, dass ich alle seine Werke nun kenne, sehe ich seinen neuen Romanen sehr entspannt entgegen.


Kann man denn Kings Bücher gut finden, auch wenn er vieles so klischeehaft schreibt?

Klar kann man das. Mir selbst waren viele problematische Dinge in seinen Werken durchaus bewusst. Trotzdem ergibt alles ein Gesamtbild und King selbst habe ich durch seine Vorworte, Anmerkungen und Nachworte in den Romanen und Anthologien als ausgesprochen selbstreflektierten, selbstkritischen Menschen wahrgenommen, der ehrlich mit den Alkohol- und Drogenproblemen seiner Vergangenheit umgeht und diese auch kommuniziert. Seine Fernsehauftritte, Interviews und selbst sein Twitteraccount bestätigen diesen Eindruck für mich und ich folge ihm gern in seine weiteren Werke.


ES und die Klischees

In ES stört mich die Kinder-Gangbang-Szene nach wie vor. Ich weiß, was King damit ausdrücken wollte, aber ich empfinde sie auch bei erneutem Lesen einfach nur als abstoßend und unangebracht. Es gibt immer viele Diskussionen darüber, welche Gewaltdarstellungen in diesem Buch vorkommen und ob sie wirklich nötig sind. Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass King mit Derry einen Ort vorstellen wollte, den es überall auf der Welt geben kann, in dem die dort lebenden Menschen das Böse einfach ignorieren und von ihm so stark geprägt werden, dass sie dieses Böse ins Erwachsenenalter verfolgt. Ja, Bev hatte einen gewalttätigen Vater. Ja, der Ehemann der erwachsenen Bev war genauso gewalttätig. Ignorieren wir aber dabei nicht, wie häufig diese Muster im realen Leben wiederholt werden und ganz besonders dürfen wir nicht ignorieren, welche Rolle Beverly Marsh als Teil des Klub der Verlierers gespielt hat. Sie rettet nicht nur ihre Freunde beim ersten Kampf gegen ES, sondern sie schafft es als erwachsene Frau, sich von diesem gewalttätigen Mann zu lösen und ihn hinter sich zu lassen. Ja, dieses Buch hat auch noch andere problematische Szenen, auf die ich nicht näher eingehen möchte. Aber sie alle gehören zum Gesamtwerk dazu und King hat sich dabei etwas gedacht. Ich empfinde den Roman nach wie vor als absolut gigantisch und werde mich auch in der Zukunft nicht davor scheuen, das Buch erneut in die Hand zu nehmen und zu lesen.


Frau Schnute und der Dunkle Turm

Ich habe mich am ersten Band der Reihe sehr oft versucht. Der erste Band ist für mich in meinen Augen echt kein guter Einstieg: zu schräg, zu wirr, zu….anders. Damit habe ich mich furchtbar schwer getan. Im Rahmen des Projekts musste ich die Reihe nun endlich lesen und kann rückblickend sagen, dass Band 1 auch Sinn ergibt. Ab Band 2 konnte mich die Reihe dann restlos begeistern und falls sich wer fragt, nein, ich habe noch immer nicht das echte Ende von Band 7 gelesen. Das hole ich vielleicht irgendwann mal nach, wenn ich emotional etwas Abstand zu den Figuren und der Geschichte gewonnen habe, oder mich die Neugier umbringt. Aktuell bin ich mit dem Happy End sehr zufrieden. Jedem, der diese Reihe zum ersten Mal in Angriff nimmt, kann ich nur raten, dran zu bleiben. Band 1 mag komisch sein, aber ab Band 2 wirds genial und da mag man die Bücher kaum noch aus der Hand legen.


Laufende Kingprojekte

Im übrigen haben auch noch andere Blogs ihre eigenen King-Projekte gestartet. Schaut unbedingt vorbei.

Ich werde hier auch in meinen Rezensionen so nach und nach die Besprechungen der beiden verlinken.


Und sonst so?

Herr Schnute liest sich mittlerweile auch durch alle Werke, da sie ja nun so schön im Regal stehen. Ich selbst habe aktuell einen Kinglesekater und bin froh, dass erstmal kein weiterer seiner Romane auf meinem Sub liegt.

Das nächste Leseprojekt wird die Aktion Lieblingsbuch, aber jetzt bin ich dann erstmal 3 Wochen in Urlaub und lese das, worauf ich so richtig Bock habe.

10 Kommentare zu „Bücher sind einzigartige, tragbare Magie – Stephen King – ein Fazit!

  1. Hallo Grit,

    Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du mich verlinkt hast. Daher, habe meinen Dank Sai. 😉

    Nicht mal zwei Jahre für alle seine Werke? Da kann ich nur respektvoll meinen Hut ziehen. Aktuell bin ich mit Cujo fertig und wende mich Sprengstoff zu. Sein Sachbuch Dance Macabre drang leider noch nicht so recht zu mir durch, daher werde ich es parallel in Häppchen weiter lesen. Falls du was dazu geschrieben hast, schaue ich mal rein, wie du es fandest.

    Bezüglich The Stand würde ich nur teilweise zustimmen mit dem nervig. Ich glaube, dass sie sogar bewusst so angelegt sind, um gewisse Gefühle für bzw gegen etwaige Figuren zu hegen. Generell kann ich verstehen, wenn man den Mittelteil blöd findet, empfand ich diesen aber gerade in der Hinsicht spannend, wie King versucht hier klar zu machen, wie es gelingen kann eine neue Gesellschaft aufzubauen und dabei baut er gleichzeitig die Bedrohung durch den dunklen Mann immer mehr aus. Manche Redundanz hätte er zwar gern vermeiden können, wodurch der Abschluss dann zu gehetzt wirkte, aber insgesamt ein sehr interessanter Roman.

    Ich bin gespannt, was mich noch so alles erwarten wird, habe ich doch noch so einige Bücher vor mir, die ich noch nicht kenne.

    In diesem Sinne, lange Tage und angenehme Nächte. Mögen sie dir doppelt vergönnt sein.

    P.S. M – O – N – D und das buchstabiert man sympathischste Figur im gesamten Kinguniversum.

    • Huhu Marc, aber natürlich musste ich Dich hier verlinken. Anja von BooksAndPhobia ist nun auch in der Liste. Ich bin sehr gespannt auf Eure Rezensionen und komme hoffentlich endlich bald mal dazu, die ersten alle in meinen zu verlinken.

      Die Gesamtübersicht all meiner Rezensionen ist weiter oben in diesem Beitrag verlinkt. Ich habe ja zu allem was geschrieben.

      Ich wünsche Dir jedenfalls ganz wahnsinnig viel Spaß und Dir ebenfalls lange Tage und angenehme Nächte.
      LG
      Grit

  2. Noch einmal herzlichen Glückwunsch zu deiner Leistung 🙂
    Ich habe von King bisher erst zwei Bücher gelesen, aber es sollen definitiv noch mehr werden.
    Was das Schreiben von weiblichen Figuren angeht: Da muss ich sofort an Carrie denken. Die Szene, in der sie zum ersten Mal menstruiert brachte mich unfreiwillig zum Lachen, was sie eigentlich nicht sollte. Diese Szene ist einfach so klar von einem Mann geschrieben.
    Allerdings nehme ich ihm das nicht so übel, immerhin war es am Anfang seiner Karriere.

    LG
    Elisa

  3. Wirklich eine tolle Aktion. Je länger ich hier bei der Aktion mitlese, um so mehr möchte ich mir selbst noch einmal so eine Aufgabe stellen. Vielleicht alle Werke von Agatha Christie? Hm… mal sehen.
    Danke für die Inspiration 🙂

  4. Liebe Grit!
    Ich habs dir ja schon gesagt, aber hier nochmal: Grandios, wie gut du durch dieses Projekt gekommen bist! Hut ab, vor all den Stunden unhd Seiten an Kings Seite! Und danke, dass du mir selbst den Anstoß gegeben hast, mich auf diesen langen Weg zu machen. Danke, danke. Bisher freue ich mich auf jedes Buch von ihm und bin begeistert, wie gut ich eigentlich vorankomme. Gerade lese und höre ich ja parallel ES und The Stand und bin jetzt schon stolz, seine größten Mammutwerke dann direkt abhaken zu können. Obwohl ES wohl auch noch ein drittes Mal auf meinem Lesestapel landen wird. ♥

    In einer kleinen Stadt fand ich auch phänomenal, da freue ich mich auch sehr auf den reRead! Das Schreckgespenst ist übrigens wirklich gruselig. Also, wirklich wirklich.

    Genieß deinen Urlaub und komm gesund und munter wieder!
    Gabriela

    PS: Deine rezension zum Institut lese ich, sobald ich selbst das neue Werk gelesen habe – also bald! 😀

    PPS: M-O-N-D und so buchstabiert man: HOLLY GIBNEY! ♥

    • Liebe Gabriela,
      ich bin so gespannt, wie Du The Stand empfinden wirst. Mir gingen an manchen Stellen die Figuren auf den Geist. Und so schlimm finde ich so lange Werke eigentlich gar nicht. Ich liebe lange Bücher. Und Kings Worldbuilding ist genial.

      ES nimmt Herr Schnute mit in den Urlaub. Er liest ja farblich abwechselnd. Da Feuerkind ein graues Buch war und ES ebenfalls grau ist, hat er heute noch Joyland dazwischengeschoben, weil das blau ist und es fast fertig xD Ich liebe es, wenn andere Menschen auch so bekloppte Lesemacken haben wie ich <3

      In einer kleinen Stadt ist sowohl zum Lesen als auch als Hörbuch ein absoluter Hochgenuss. Wenn David Nathan Leland Gaunt liest, dann jagt einem das einen Gänsehautschauer nach dem anderen über den Körper. Gigantisch!

      Bin sehr gespannt, wie Dir das Institut gefallen wird. Ich fands rundum gelungen. <3

      PPS: M-O-N-D. Was für eine tolle Figur *le hach*

      • The Stand ist ja mein zweiter Durchgang! Selbst gelesen fand ich es nicht so sehr berauschend, wie ichs mir erhofft habe. Anfang und Ende toll, Mitte, naaa ja. Manche Charakter? Nervig, wie duja auch sagst. Aber so als Hörbuch gefällt es mir weitaus besser. Vielleicht, weil ich weiß, was mich erwartet. Vielleicht, weil ich die 54 Stunden nur Häppchenweise konsumiere. So oder so, ich hab meinen Frieden mit dem letzten Gefecht gemacht. 🙂

        PS: Wie unglaublich sympathisch ist das bitte, farblich abwechselnd lesend 😀 Daumen hoch für Herrn Schnute! 😀

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