„Sleeping Beauties“
Originaltitel: Sleeping Beauties
Autoren: Stephen King & Owen King
960 Seiten / Hardcover
ISBN: 3453271440
Verlag: Heyne

Die Welt sieht sich einem faszinierenden Phänomen gegenüber. Sobald Frauen einschlafen, umhüllt sie am ganzen Körper ein spinnwebartiger Kokon. Wenn man sie weckt oder das unheimliche Gewebe entfernen will, werden sie zu barbarischen Bestien. Sind sie im Schlaf etwa an einem schöneren Ort? Die zurückgebliebenen Männer überlassen sich zunehmend ihren primitiven Instinkten. Eine Frau allerdings, die mysteriöse Evie, scheint gegenüber der Pandemie immun zu sein. Ist sie eine genetische Anomalie, die sich zu Versuchszwecken eignet? Oder ist sie ein Dämon, den man vernichten muss? Schauplatz und Brennpunkt ist ein kleines Städtchen in den Appalachen, wo ein Frauengefängnis den größten Arbeitgeber stellt. 

Oh Mann. Ich habe Sleeping Beauties vor mir hergeschoben. Die Prämisse interessierte mich eigentlich nicht und ich verknüpfte damit auch allerlei unangenehme Vorstellungen, die ich nicht unbedingt nachlesen wollte. Aber nun ja. Als letzter Einzelroman auf meiner Liste musste ich mich Sleeping Beauties nun doch stellen.

Dieses Buch hat mich einfach nur frustriert.

Vorab sei gesagt, dass ich noch nichts von Owen King gelesen habe und deshalb nicht weiß, wie er sonst so schreibt. Die Kollaboration von Vater und Sohn jedoch erzeugte bei mir eher gemischte Gefühle. Nicht die Tatsache, dass beide zusammen gearbeitet haben, sondern das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit.

Vorsicht, das könnte jetzt etwas länger werden.

So ungefähr habe ich eine Idee, was Vater und Sohn mit diesem Buch bezweckt haben, aber in der Ausführung funktionierte das einfach so gar nicht, weil es jedes Klischee wiedergekäut wurde, das man sich vorstellen kann.

Aber nunja. Wir sind in Dooling, einem kleinen Ort in den Apalachen. Alle Angehörigen des weiblichen Geschlechts wachen nicht mehr auf, wenn sie einschlafen. Und sobald sie einschlafen, umspinnt sie ein seidiger Kokon. Soweit so gut.

Keiner weiß so richtig, was Sache ist. Die ganze Welt ist davon betroffen.

Bis dahin ist es auch noch einigermaßen spannend und interessant. Doch die Gesellschaft verfällt dem Chaos. Es wird gebrandschatzt, randaliert und geplündert. Eine Gesellschaft ohne Frauen ist nicht lebensfähig, weil die Männer einfach nichts anderes tun können, als in Anarchie zu verfallen.


Im Grunde genommen vermittelt das Buch, dass alle schlimmen Dinge auf dieser Welt nur von Männern begangen werden. Und wenn die Frauen nicht mehr da sind, dann kann es nur bergab gehen mit der Menschheit.

Dabei sind Frauen in diesem Buch grundsätzlich die Opfer. Immer! Es gibt nicht eine gesunde, gleichberechtigte und liebevolle Beziehung zwischen Mann und Frau in diesem Buch.

Selbst die Insassinnen des Frauengefängnisses sind alle Opfer der Männer in ihrem Leben. Sie ‚mussten‘ quasi Drogen nehmen, töten, sich prostituieren oder sonstiges, weil die Männer sie in ihrem Leben dazu gezwungen haben. Wait, versteht mich nicht falsch: Ja, es gibt Frauen in Gefängnissen, die durch Männer auf eine schiefe Bahn geraten sind. Aber bitte, es gibt auch Frauen, die einfach nur Soziopathen sind. Das ist nicht rein den Männern vorbehalten. Zumal wir gar nicht darüber sprechen müssen, wieviele Männer auf die schiefe Bahn geraten sind, weil sie eine schlechte Kindheit hatten, zu der auch Frauen ihren Teil als die Mütter beigetragen haben.

Aber damit nicht genug: die Frauen, die einschlafen landen in einer Parallelwelt. In einer neuen Welt. Diese Welt ist toll. Alles lebt in Harmonie. Alle Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen und auch sind es immer die richtigen Entscheidungen, weil Frauen ja gar nicht anders können. In dieser Parallelwelt, die sie ‚Unseren Ort‘ nennen, bauen sich die Frauen ein neues Leben auf. Die Zeit dort vergeht schneller als in der realen Welt. Viele Frauen sind zum ersten Mal so richtig frei. Frauen, die schwanger sind, bekommen ihre Babys. Es besteht die Möglichkeit, diese Gesellschaft komplett neu aufzubauen. Sie werden vor die Wahl gestellt, die Gesellschaft neu aufzubauen ohne Männer oder zurückzukehren in ihre von Männern dominierte Welt.


Leute, wenn das doch so einfach wäre. Zumal hier ein paar wenige diese Entscheidung für die gesamte Menschheit treffen sollen.


Ja, es gibt Figuren in diesem Buch, für die wäre diese neue Welt tatsächlich etwas schönes und gutes. Frauen, die tatsächlich unter den Grausamkeiten von Männern gelitten haben und die in der ‚alten‘ Welt kaum eine Chance haben. Aber die können genauso wenig für die anderen entscheiden.

Diese Entscheidung soll von wenigen (also den weiblichen Figuren dieses Buches) für alle getroffen werden. Für alle Frauen und in Konsequenz für die gesamte Menschheit. Es hat also nicht jede Frau diese Wahl. Nicht jede kann für sich wählen. Was soll dann dieser Mist? Was soll es bringen, wenn sie sich für ein Zurückkehren entscheiden, wo es doch nicht der ausdrückliche Wunsch aller ist? Oder umgedreht, fürs Bleiben? Welchen Sinn hat es, eine Gesellschaft aufzubauen, in der die Entscheidung insgeheim von denen, die nicht wählen durften, nachgetragen wird?


Die männlichen Figuren im Buch sind ein breiter Querschlag durch so jedes Stereotyp, das mir einfällt. Der trockene Alkoholiker, der sich selbst umbringt, weil seine Frau weg ist. Der Typ Mann, der seine Chance darin sieht, sich endlich von den Frauen das zu holen, was ihm in seinen Augen zusteht. Der Typ Mann, der alle anderen dafür verantwortlich macht, dass er Probleme hat, seine Wut unter Kontrolle zu halten. Der Vater, der krampfhaft seine Tochter beschützen muss und dabei jegliche Vernunft ausschaltet. Der Typ Mann, der symbolisch für alle ‚guten‘ Männer steht. Der inkompetente Vorgesetzte, der seinen Job nur durch Beziehungen bekommen hat. Der gut erzogene Junge, der sich nach seiner besten Freundin verzehrt und diese unbedingt beschützen muss.

Nichts wird wirklich ausgelassen.


Die Welt versinkt also im Chaos, weil die Frauen nicht mehr da sind. Die wenigen verbliebenen Frauen, die gegen das Einschlafen kämpfen, pumpen sich mit allem voll, was sie in die Finger kriegen können. Wer hätte jemals gedacht, dass Meth und Crack nicht abhängig machen, wenn man sie als Muntermacher verwendet. (Das Quietschgeräusch sind meine Augen, die ich verdrehe)

Es dauert nicht lang, bis die Männer anfangen, die schlafenden Frauen umzubringen. Zum einen, weil die schlafenden Frauen als Gefahr betrachtet werden, was sie im übrigen nur sind, wenn man sie aufweckt oder sie vergewaltigen will. Zum anderen, weil eine Falschmeldung im Internet behauptet, die Krankheit könne nur aufgehalten werden, indem man die Frauen und ihre Kokons verbrennt.

Worauf dieses Buch hinausläuft: Alle Männer sind schlecht. Alle Frauen sind gut. Frauen sind emphatisch, Männer absolute Rohlinge. Frauen kochen, waschen und versorgen die Kinder. Männer rufen den Notruf an, um zu fragen, was sie ihren Kindern füttern sollen. Beide Geschlechter befinden sich noch dazu in direkter Konkurrenz zueinander.

Ehrlich, das ging mir auf den Sack. Es nervt. Da nützt es nichts, dass der Schreibstil flüssig ist und sich das Buch eigentlich schnell lesen lässt. Es waren zuviele Klischees. Zuviele Stereotypen. Und auch weiterhin zuviele Ungerechtigkeiten.

Gleichzeitig macht das Buch noch einen glatten Rundumschlag gegen die Waffenlobby, die Abtreibungsgegner, Rassendiskriminierung….

Dass Non-Binary hier überhaupt kein Thema ist, lassen wir einfach mal dahingestellt. Dass Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren, ebenfalls Diskriminierungen ausgesetzt sind, wird nicht angesprochen.

Ach, ich sollte aufhören. Ich habe über dieses Buch nichts wirklich gutes zu sagen, außer dass es schnell gelesen war und der Schreibstil gewohnt flüssig. Einen Unterschied zwischen den Teilen, die King Senior geschrieben hat und denen, die King Junior geschrieben hat, habe ich nicht feststellen können.

Ein weiterer Titel für dieses Buch könnte sein Zwei Männer mansplainen das Patriarchat. Ich verstehe, worauf das ganze hinauslaufen sollte, ich hätte mir nur gewünscht, dass es besser gemacht worden wäre. Etwas mehr echte Figuren, nicht nur die altbekannten klassischen Klischees. Das Buch hätte auch auf 500 Seiten und mit Null Klischees gut funktioniert, aber so ist es einfach nur ein 960-Seiten-Pamphlet über „Männer sind Böse, Frauen sind Heilige“, hinter dem ich weder stehen noch mich damit identifizieren könnte. Vielleicht kenne ich auch einfach nur zuviele vernünftige Menschen. Who knows. Keine Leseempfehlung von mir. Muss jeder selbst entscheiden, ob man sich das antun will.


weitere Rezensionen bei:

Books and Phobia


7 Kommentare zu „King, Stephen/King, Owen – Sleeping Beauties

  1. Danke für diese Rezension! Ich fand die Idee spannend und habe schon überlegt, mir das Buch mal zu holen, aber ich glaube jetzt lasse ich es lieber bleiben.

    • Ich denke, du solltest es trotzdem lesen. Deine Meinung dazu fände ich sehr interessant. Es ist gut möglich, dass ich bei diesem Buch auch überempfindlich war. Ausschließen möchte ich das nicht. Zumal ich ja doch soooooo viel anderes von ihm gelesen habe und deswegen vielleicht etwas zu sensibel auf dieses Buch reagiere. Wer weiß.

  2. Ach, mensch. Ich hatte ja schon geahnt, dass es hier nicht gerade klimpflich ablaufen würde. Schade! Ich schiebe das Buch auch schon seit geraumer Zeit vor mir her, dabei weiß ich eigentlich gar nicht so genau, wieso. Vielleicht weiß ich es ja jetzt. Trotzdem bin ich selbst gespannt, wie viel von deinen Kritikpunkten auch bei mir auftreten werden 🙂

    Liebe Grüße!
    Gabriela

    • Ich wünsche Dir auf alle Fälle ein positiveres Leseerlebnis. Es gibt einen Mord im Paradies der Frauen aber das wirkte auf mich eher wie ein Quotenmord. Ach ich weiß auch nicht. Dieses Buch hat mich rundherum falsch angesprochen. Vielleicht lags daran, dass Es direkt vorher so ein geniales Buch war.
      LG
      Grit

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