Meine Bücherspleens werden offenbar nicht weniger, sondern nur sichtbarer. Dass ich Anthologien nicht von vorne nach hinten lese, sondern nach der Länge der Kurzgeschichten, beginnend mit der kürzesten, wissen wir ja schon. Auch dass ich Buchreihen nochmal komplett lesen muss, bevor ein neuer Band erscheint, ist nichts Neues. Und ich liebe es, wenn Bücher einer Reihe oder eines Autors im Regal zusammenpassen, ergo kaufe ich durchaus Bücher ein zweites Mal, wenn ich versehentlich eine falsche Ausgabe erwischt habe.

Aber nun gut. Am Montag ergab sich folgende Situation. Der Lieblingsmensch hatte Stephen Kings „Es“ neu gekauft, weil die alte Ausgabe zu kaputt war zum lesen. Ich lese ja eigentlich bevorzugt am Tolino, einfach weil ich totaler Pragmatiker bin. Trotzdem bekam ich die neue Ausgabe von „Es“ zum Lesen. Nach all den Jahren sollte der Lieblingsmensch ja nun wissen, dass ich Bücher LESE! Bei mir gibt es geknickte Buchrücken, Fingerabdrücke, Kaffeeflecken und Eselsohren. Das macht für mich ein Buch aus. Die neue Ausgabe von ‚Es‘ – mit über 1500 Seiten echt kein schmales Büchlein – wurde also an der Stelle aufgeschlagen, an der ich auf dem Tolino aufgehört hatte zu lesen. Siehe da, immerhin schon bei Seite 300irgendwas. Zack, der Buchrücken knickte, denn wer liest schon bitte einen solchen Wälzer ohne den Buchrücken zu knicken??? Ich hatte kein Lesezeichen dabei. Auch keinen Einkaufszettel, kein Schnippselchen, kein Taschentuch, nichts. Ergo tat ich, was ich in einem solchen Fall immer tue: Eselsohr auf die Seite und gut ist. Der Lieblingsmensch reagierte völlig geschockt und fassungslos.


Ich teilte diese Situation auf Facebook und auf Twitter. Auf Facebook schlossen sich alle der Meinung des Lieblingsmenschen an, der mich für meinen Umgang mit Büchern für ein Monster hält.

Auf Twitter hingegen war die Reaktion genau entgegengesetzt. Da teilten die meisten meine Meinung, dass man einem Buch ruhig ansehen darf, dass es gelesen wurde.


Nun sind Geschmäcker tatsächlich verschieden. Ich leihe mir deswegen auch nie bei Freunden Bücher aus, auch wenn ich absolut keine Schmerzen damit habe, meine Bücher frisch fromm fröhlich frei in der Gegend herum zu verleihen.

Für das King-Projekt hatte der Lieblingsmensch, eigentlich kann ich ihn ja langsam Herr Schnute nennen, eine alte Ausgabe von „Friedhof der Kuscheltiere“ in einem offenen Bücherschrank gefunden. Die Seiten waren vergilbt, der Buchdeckel war an den Rändern ausgefleddert, der Buchrücken so geknickt, dass man kaum noch den Titel lesen konnte. Das Buch lag herrlich in der Hand beim Lesen, es war ein echter Genuss. Und da ist mir noch was aufgefallen, ein weiterer Spleen.

Wer Bücher liebt, wird das wahrscheinlich kennen. Man schlägt das neue Buch auf und es riecht nach frisch gedruckt. Ich kenne keine Leseratte, die diesen Duft nicht liebt. Für viele ist das mit ein Grund, keine eBooks zu lesen, weil sie bei Tolino und Co. den Buchduft vermissen.


Aber ich schnuppere auch mit Begeisterung an gebrauchten Büchern.


Tatsächlich finden manche Menschen das eklig. Dabei muss ich sagen, dass ich noch kein Buch in der Hand hatte, das so wirklich eklig gerochen hat. Die Bücher rochen nach Keller oder nach staubigem Regal, manche nach Blumen, weil jemand offenbar darin welche getrocknet hatte, nach Kaffee und Zigaretten, einmal roch es sogar nach frisch gewaschener Wäsche.

Die Gedanken schweifen bei diesen Schnupperausflügen dann ab und fliegen durch alte Wohnungen, leere Zimmer, dunkle Kellergänge und zwischen den voll bepackten Wäscheleinen hindurch. Vor dem inneren Auge sehe ich vorangegangene Leser auf Parkbänken sitzen oder auf Treppenstufen. Auf der Fensterbank mit einer Tasse Kaffee daneben oder an der Bushaltestelle mit einer vergessenen Zigarette zwischen den Fingern der freien Hand. Ich.Liebe.Es!

Frisch gedruckt riecht toll. Gebraucht riecht nach Erinnerungen und eigenen Geschichten jenseits der im Buch gedruckten Zeilen.


Wie ist das bei Euch? Neu oder auch gebraucht? Samthandschuhe oder Grobmotoriker?

5 Kommentare zu „Spleens, Spleens und noch mehr Spleens

  1. Mich stört es nicht im Geringsten, wenn man den Büchern ihr Vorleben ansieht. Klar, neue Bücher schnüffeln mag ich auch. Aber wenn klar ist, das Buch bleibt bei mir, dann bin ich nur noch teilweise vorsichtig 😉 Und Kings sind eh Dauergäste, die geb ich nicht her. Mein Es und die anderen sehen auch sehr mitgenommen aus. Bedingt auch durch den Umfang! Da bleiben Knicke tatsächlich nicht aus!

    Aber Eselsohren gibts bei mir niemals! Da reagier ich auch allergisch *lach*

    Aber wie gesagt, gebrauchte Bücher dürfen auch so aussehen! Ich bin ja gern mal im Tauschrausch, da erwarte ich einfach ein normales Aussehen, bloß keine rausgerissenen Seiten oder sowas, aber ansonsten bin ich da auch nicht pingelig.

    Leihen kommt für mich auch nicht in Frage 😉 Ein einwandfreies Aussehen nach dem Lesen kann ich auch nicht garantieren. Erstens habe ich einen Kater, der gern mit meinen Büchern kuschelt und auch schon mal eine Kralle ausfährt beim genussvollen beschmusen und zweitens gehen meine Bücher überall mit mir hin. Da kanns immer mal regnen und trotz Buchtasche und Plastiktüte drumrum was reinkommen oder so.

    Liebe Grüße
    Bine

  2. Mir ist es nicht so wichtig, wie die Bücher im Regal aussehen, Terry Pratchett steht bei mir in zwei Reihen hintereinander und die restlichen, die zu hoch für das Regal sind, liegen oben drauf. Meine einzige „Vorzeigereihe“ sind die englischen Klassiker, die ich bei einem Arbeitgeber abgestaubt habe und einige second-hand Bücher, die sehr schön sind von der Aufmachung her.

    Gebundene Bücher würde ich dir wahrscheinlich nicht leihen … 😉 … bei Taschenbüchern finde ich es nur doof, wenn im Text unterstrichen oder mit Farbe markiert wird oder sogar Bemerkungen am Rand stehen, denn schliesslich will sich ein neuer Leser seine eigene Meinung – ohne Beeinflussung – bilden.

  3. Hey,

    ich bin da immer ein bisschen hin- und hergerissen. Im Regal finde ich es immer schöner, wenn die Bücher wie neu aussehen. Zum Lesen und in der Hand halten mag ich aber auch gebrauchte Bücher ganz gern. Deshalb besitze und kaufe ich sowohl neue als auch gebrauchte und behandle sie nicht alle gleich. Bei einigen brauche ich z. B. Klebezettel und Markierungen, bei anderen kommt das nicht in Frage. Ich kann daher beide Seiten verstehen. Also die, die ihre Bücher nur mit Samthandschuhen anfassen und die, deren Bücher richtig gebraucht aussehen. 😀

    Liebe Grüße
    Anka

  4. Nu hab ich voll Quatsch erzählt 😄 beim Verlassen der Wohnung hab ich einen Blick auf die Rücken von The Stand und Es geworfen und siehe da – sie sind beide völlig Bruchfrei 😅 aber, es wäre nicht schlimm gewesen wenn 😄

  5. Guten Morgen!
    Ha, meiner ES-Ausgabe sieht man auch deutlich an, dass sie gelesen wurde. Aber hey, 1500 Seiten darf man das durchaus ansehen! Ich bin da auch recht pragmatischer Natur. Bücher dürfen gelesen aussehen. Vllt hasse ich Eselsohren und Kaffeeflecken, aber mei, wenns passiert, ists auch nich schlimm. Ich habe viele gebrauchte Bücher im Regal und störe mich da kein bisschen dran. 🙂

    Liebe Grüße!
    Gabriela

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