„Unter uns die Nacht“
Originaltitel: Record of a Spaceborn Few
Autorin: Becky Chambers
379 Seiten / eBook
EAN: 9783104907550
Verlag: Fischer TOR
[Werbung, da Rezensionsexemplar]

Auf der Asteria, einem Siedlerschiff der exodanischen Flotte, ist für jeden gesorgt: Alle haben eine Wohnung, alle haben zu essen, alle haben einen Job – und leisten noch im Tod einen wertvollen Beitrag zur Gemeinschaft. Lichtjahre entfernt von der zerstörten Erde haben sich die Menschen ein wohldurchdachtes, selbstgenügsames Leben im Weltraum eingerichtet.
Doch inzwischen sind ganze Generationen auf den Schiffen der Flotte geboren und aufgewachsen, und je selbstverständlicher das Siedlerdasein wird, desto größer sind die Zweifel: Bei Kip, der mit seinen 16 Jahren noch nicht weiß, was er mit seiner Zukunft anfangen will – außer dass sie sich definitiv nicht auf der Asteria abspielen soll. Bei Tessa, deren Alltag mit Job und Familie mehr als ausgefüllt ist – bis der technische Fortschritt sie einholt. Und bei der Archivarin Isabel, die sorgfältig die alten Traditionen bewahrt, die die Menschheit im Exil zusammenhalten sollen. 
Sie alle stehen vor der Frage: Warum auf einem Schiff bleiben, das sein Ziel längst erreicht hat? 

Unter uns die Nacht ist der dritte Band der Wayfarer-Reihe und zeitlich kurz im Anschluss an die Ereignisse von Band 1, Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten angeknüpft. Wie auch Band 2 spielt dieser unabhängig von den Handlungen der anderen Bände und kann durchaus als Einzelroman gelesen werden. Einzig die Figur Tessa ist mit Captain Ashby aus Band 1 verknüpft, der aber im Rahmen dieses Buches keine Rolle spielt und nur am Rande erwähnt wird.

Es ist das zweite Mal, das ich dieses Buch lese. Ich hatte das englische Original bereits gelesen und bin nach wie vor begeistert. Die deutsche Übersetzung ist sehr gelungen und es macht Freude, erneut in dieses Universum einzutauchen. Becky Chambers schafft reale Figuren mit realen Problemen und beleuchtet dabei die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Probleme, die sich im Leben stellen.

In diesem Buch folgen wir verschiedenen Perspektiven. Zum einem dem 16jährigen Kip, der wie viele Jugendliche in seinem Alter damit zu kämpfen hat, dass er nicht weiß, was er später mal machen will. Seine Ängste und Sorgen sind dabei nachvollziehbar und erinnern jeden Leser mit großer Wahrscheinlichkeit an die eigene Jugend und die eigenen damit verbundenen Unsicherheiten.

Dann folgen wir Tessa, die als Mutter von zwei Kindern versucht ihren Alltag zu meistern und dabei Hilfe von ihrem Vater und den anderen Bewohnern ihrer Hex erhält. Sie arbeitet als Logistikerin in der Lagerverwaltung und wird vor die Hürde gestellt, dass ihr Job durch eine KI ersetzt werden soll. Gleichzeitig hat ihre 9 jährige Tochter große Ängste seit der Zerstörung eines der Wohnschiffe der Flotte. Tessas Mann George ist als Bergbauarbeiter ständig unterwegs und selten da.

Als dritte Perspektive bekommen wir Sawyer, der auf einem Planeten geboren wurde, seit seinem 12. Lebensjahr auf sich selbst gestellt ist und von einem schlecht bezahlten Job zum nächsten Lebt. Er kommt auf die Asteria in der Hoffnung auf ein sicheres Leben ohne Hunger und Ausbeutung. Leider gerät er an die falschen Leute. Sein Schicksal hat mich sehr berührt.

Dann wäre da die Hüterin Eyas, die man mit einer Bestatterin vergleichen könnte. Auf der exodanischen Flotte wurden die Toten aus der Notwendigkeit heraus kompostiert und diese Tradition wurde beibehalten auch als die Flotte nicht mehr durchs All reiste. Eyas kämpft mit ihrem Status, in dem andere viel Trost und Zuwendung sehen, wo sie aber als Mensch nicht sein kann, wie sie möchte.

Die nächste Perspektive ist Isabel, die Archivarin. Sie ist weit über 70 und noch immer glücklich mit ihrer Frau Tamsin, die ebenfalls bereits 79 ist. Isabel erhält Besuch von einer Harmagianerin namens Ghuh’loloan Mok Chupt, die über die Flotte berichten will. Die sieben Teile des Buches werden jeweils von ihren berichten über die Flotte eingeleitet und formulieren dabei die komplexen Probleme, denen sich die Flotte seit dem Ende ihrer Reise gegenübersieht. Seien es nun die Menschen, die von der Flotte auf Planeten übersiedeln oder die Tatsache, dass der auf der Flotte etablierte Tauschhandel sich nun einer allgemein gültigen Währung gegenübersieht, der er nichts entgegenzusetzen hat.

All diese Probleme werden dann von den einzelnen Erzählperspektiven näher beleuchtet und für den Leser in Relation gesetzt. Dinge, über die man in der Regel nicht so nachdenkt.

Wie in den ersten beiden Bänden wird die Handlung rein von den Figuren vorangetrieben. Es gibt keine Action. Es gibt keine große Spannung. Trotzdem weiß Becky Chambers den Leser zu fesseln. Die formulierten Probleme lassen sich durchaus auf unsere Welt und Gegenwart übertragen. Die Figuren sind nicht oberflächlich stereotyp gezeichnet, sondern besitzen extremen Tiefgang. Was mich erneut sehr gefreut hat, war dass auch die deutsche Übersetzung die geschlechtsneutralen Pronomen beibehalten hat, die Becky Chambers verwendet. Diese sind so selbstverständlich in den Erzählstil hineingestreut, dass man sie einfach als gegeben hinnimmt. Genauso wie gleichgeschlechtliche Beziehungen eine absolute Normalität darstellen, ohne groß in den Mittelpunkt gerückt zu werden.

Das ist nach wie vor erfrischend und begeistert mich immer einfach jedes Mal aufs Neue.

Wer Scifi abseits des Standards sucht, ist bei Becky Chambers Romanen genau richtig. Spannung und Action sucht man vergebens, aber der Tiefgang der Figuren und der emotionale Aspekt sowie die gesellschaftlichen Analysen machen das in meinen Augen wieder wett.
Unter uns die Nacht steht seinen beiden Vorgängern in nichts nach. Ich kann für dieses Buch nur eine klare Leseempfehlung aussprechen.

Anmerkung: Da es sich bei diesem Buch um ein zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar handelt, muss ich diesen Beitrag als Werbung kennzeichnen. Ich möchte allerdings versichern, dass die verfasste Rezension meine ehrliche Meinung wiedergibt und nicht von der Tatsache, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, beeinflusst wurde. Denn ganz ehrlich, Rezensionen hätten keinen Sinn, wenn sie nicht ehrlich wären. Ich bedanke mich beim Fischer TOR Verlag für das Rezensionsexemplar.

2 Kommentare zu „Chambers, Becky – Unter uns die Nacht (Wayfarers #3)

  1. Hui,

    das klingt ja so als würde die Reihe vielversprechend weitergehen. Ich finde es besonders interessant, dass in dem Romam eine Mutter mit Kindern und eine 70 jährige Frau als Charaktere vorkommen. So etws sieht man ansonsten ja eher selten in Büchern.

    • Schon, gell? Ich finds einfach super, dass Becky Chambers Figuren präsentiert, die einerseits aus dem Leben gegriffen scheinen und andererseits etwas aus dem ganzen Einheitsbrei hervorstechen.

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