„Blackout Island“
Originaltitel: Eyland
Autorin: Sigridur Hagalin Björnsdottir
278 Seiten / eBook
EAN: 9783518757369
Verlag: Suhrkamp

Was passiert, wenn ein ganzes Land plötzlich von der Außenwelt abgeschnitten ist? Die Ressourcen knapp werden? Nicht alle überleben können? Die Menschen zu Selbstversorgern werden, Eltern ihre Kinder suchen, die in Banden hungernd durchs Land irren. Milizen marodieren. Bürgerkriegsähnliche Verhältnisse herrschen.
In einem abgelegenen isländischen Fjord lebt der ehemalige Journalist Hjalti aus Reykjavik unter primitiven Bedingungen auf dem alten Hof seines Großvaters. Er versorgt die Schafe, bewirtschaftet das karge Land und lebt von dem, was er dem Boden und dem Meer abtrotzt. Gesellschaft leistet ihm neben den Schafen nur noch sein Hund. Hjalti führt einen harten Kampf ums Überleben, denn Island ist seit geraumer Zeit von der Außenwelt abgeschottet, seine Lebensgefährtin Maria und deren Kinder von ihm getrennt, ihr Schicksal ungewiss. An den langen, einsamen Abenden protokolliert er die Ereignisse, die zu dieser Situation geführt und die ehrgeizige Innenministerin Elín Olafsdottir dazu gezwungen haben, den Ausnahmezustand auszurufen.

Blackout Island ist eines der Bücher, die einem die Kehle zuschnüren, eine Gänsehaut verursachen und einen nachts nicht gut schlafen lassen. Sigridur kreiert in ihrem Buch ein Szenario, das kaum realistischer und glaubhafter wirken kann. Und es ist so erschreckend.

Von einem Tag auf den nächsten verliert Island jeden Kontakt zum Rest der Welt. Keine Flieger oder Schiffe kommen mehr an. Telefon und World Wide Web sind zusammengebrochen. Niemand weiß, was vor sich geht und auch der Leser wird darüber auch am Ende nicht aufgeklärt, was das beklemmende Gefühl nur noch verstärkt.

Wie die Figuren tappt man im Dunkeln, weiß nicht, wie es weitergehen soll und möchte am liebsten vor den sich entwickelnden Grausamkeiten der Gesellschaft davon laufen.

Der ehemalige Journalist Hjalti ist dabei nur eine Perspektive, die in Rückblicken aus Svangi erzählt, was eigentlich passiert ist und wie es dazu kam, dass er in einem einsamen Fjord ein einsames Überlebensdasein fristet. Seine ehemalige Lebensgefährtin, die Violinistin Maria ist die zweite Perspektive. Dazwischen gestreut sind Hjaltis Erlebnisse von Beginn des Blackouts bis zu seinem Leben in Svangi, und ab und zu ein paar Eindrücke von Hjaltis Bruder, der Arzt ist.

Maria, die zwar die isländische Staatsbürgerschaft hat, aber aus einem spanischsprachigen Land kommt, hat zwei Kinder von zwei verschiedenen Männern. Eine Tochter, Margaret und einen Sohn, Elias, der noch dazu dunkelhäutig ist.

In ruhigem Erzählstil führt Sigridur die Leserin durch die Geschichte und lässt sie erleben, wie Islands Bevölkerung im Angesicht der drohenden Nahrungsmittelknappheit verroht und dem Ausländerhass verfällt. Dabei wird es niemals eklig oder zu brutal. Es sind alles subtile Dinge. Die Tatsache, dass Marias 13 jährige Tochter rebelliert und sich einer Gruppe randalierender Jugendlicher anschließt, die am Ende die Mädchen an erwachsene Männer von der Rettungswacht ausliefern und es der Leserin selbst überlassen bleibt, wieviel Missbrauch sie da hinein liest. Oder Maria, die irgendwann einen sicheren Hafen gefunden zu haben scheint, der aber doch wieder mit sexuellen Diensten verbunden war. Es sind Dinge wie diese, die die Beklemmungen auslösen. Die schockieren und einem den Atem stocken lassen. Aber auch Menschen, die nicht isländisch aussehen, gestrandete Touristen, die in einem Flughafen zusammengepfercht werden wie Vieh, wo sie halb verhungern bevor man sie auf großen Schiffen aufs Meer hinaus treibt. Zurück in die Heimat. Aber nach den bis dahin erlebten Grausamkeiten konnte ich nicht mehr daran glauben, dass diese Menschen wirklich an ein Ziel gebracht wurden. Wenn ich die Augen schloss, sah ich die verlassenen Schiffe auf hoher See, antriebslos mit tausenden Menschen an Bord, die elendig verhungerten, verdursteten, ertranken…

Es ist ein grausames Szenario, das hier gezeichnet wird. Es gibt kein echtes Happy End. Es gibt kein Glück, keine Freude, lediglich den harten Kampf ums Überleben in einem Land, das nur wenig Ressourcen bietet und in dem noch dazu monatelang keine Sonne scheint.

Man will eigentlich gar nicht mehr wissen, was der Blackout ist. Oder was ihn verursacht hat. Man will eigentlich nur das Buch zur Seite legen und froh sein, dass man es gut hat. Und dann blickt man auf die Nachrichten und die Schlagzeilen in den Zeitungen und denkt sich nur, dass man hoffentlich schon längst tot ist, wenn es alles Realität wird.

Blackout Island hat mich immens beeindruckt. Es ist eines meiner absoluten Lesehighlights bis jetzt und eines der intensivsten Bücher, das ich je gelesen habe. Ich kann es nur empfehlen. Action, Spannung, Horrorszenarien sucht man vergebens. Der Rest wirkt auf die Leserin ganz von allein und spricht für sich selbst.

3 Kommentare zu „Björnsdottir, Sigridur Hagalin – Blackout Island

  1. Liebe Grit!
    Du siehst mich dieses Buch ganz oben auf die Wunschliste setzen. Danke dafür! Schon allein, weil es auf Island spielt, eine Insel, die viel zu wenig präsent in meinem Bücherregal ist.

    Alles liebe,
    Gabriela

    • Das freut mich voll. Ich bin sehr gespannt, wie Deine Meinung dazu ausfällt. Ich selbst war anfangs etwas abgeschreckt von den vielen negativen Stimmen überall, aber war umso überraschter, wie sehr mir dieses Buch unter die Haut ging. Ich möchte nicht sagen, dass es mir gefallen hat. Es war so heftig, dass ich froh bin, wenn ich es nie mehr lesen muss. Aber das spricht dafür, dass es ein richtig gutes Buch war. Selbst jetzt krieg ich noch Gänsehaut, wenn ich an bestimmte Szenen zurückdenke. Momente, wo ich mich als Leserin sicher fühlte, und dann in einem Satz so heftig eins um die Ohren gehauen bekommen habe, dass ich echt erschrocken bin. Ein sehr gutes Buch, das extrem zum nachdenken anregt.

      LG
      Grit

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