„Fahrenheit 451“
Originaltitel: Fahrenheit 451
Autor: Ray Bradbury
208 Seiten / Taschenbuch
ISBN: 3453319834
Verlag: Heyne
[Werbung, da Rezensionsexemplar]

451 Grad Fahrenheit, 232 Grad Celsius: die Temperatur, bei der Bücherpapier Feuer fängt und verbrennt … In der Zukunft ist das Lesen von Büchern streng verboten, und es ist die Aufgabe der Feuerwehr, Bücher aufzustöbern und zu verbrennen. Pflichtgetreu versieht Feuerwehrmann Guy Montag seinen Dienst. Doch als er die junge Clarisse kennenlernt, ändert sich seine Einstellung, und er begeht eine folgenschwere Tat: Er liest ein Buch.

Fahrenheit 451 habe ich bereits mehrfach in der Originalversion gelesen und jetzt zum ersten Mal in der deutschen Übersetzung, die wirklich hervorragend ist und das Buch meiner Meinung nach auch Erstlesern sehr zugänglich machen wird. Stören wir uns ausnahmsweise mal nicht an der Tatsache, dass das Mädchen Clarisse das Klischee des Manic Pixie Dream Girls vollends erfüllt. Ich weiß, es ist ein Buch seiner Zeit. Bradbury war in dieser Hinsicht wie viele seine schreiberischen Kollegen ein Mann seiner Zeit. Lassen wir das einfach mal alles beiseite.

Nehmen wir das eigentliche Thema. Pulen wir es heraus aus dem ganzen Drumherum. Die Menschen in Bradburys Roman wollen es einfach und sie wollen sich vergnügen. Sie wollen keine Zusammenhänge erkennen, geschweige denn verstehen. Sie wollen es einfach. Eine homogene eigentlich zufriedene Konsumgesellschaft, deren Wunsch nach mehr Konsum und Zufriedenheit die Menschen antreibt. Bradbury überzeichnet seine Figuren und erschafft ein erschreckendes Bild einer Gesellschaft, in der keiner mehr kommuniziert. Und Bücher sind verboten.

Das eigentlich erschreckende dabei ist, dass dieses Verbot und diese Zensur nicht von der Regierung vorgegeben wurden sondern es ein schleichender, von der gesamten Gesellschaft hausgemachter Prozess ist.

Es kam nicht von oben, von der Regierung. Es fing nicht mit Verordnung und Zensur an, nein! Technik, Massenkultur und Minderheitendruck brachten es ganz von allein fertig.

Nur keinen beleidigen, niemandem auf den Schlips treten. Politische Korrektheit wurde auf die Spitze getrieben und führte dazu, dass Bücher und Artikel und und und eingekürzt wurden auf einen Satz, dessen Aussage sinnlos war.

Bei dem Minderheitendruck muss ich gestehen, stößt es mir schon etwas auf. Minderheiten sind hier alle und jeder. Gern kann man diesen Punkt als potentielle Gefahr für allgemeine Verdummung in heutigen Diskussionen anführen, aber man schließt dabei nicht nur echte Minderheiten ein, die tatsächlich diskrimiert werden, sondern alles und jeden, Hundebesitzer und was weiß ich. Das ist in der Tat krank und hier sollte man bewusst differenziert das Thema des Minderheitendrucks betrachten. Ich halte es nicht für richtig, alte Werke politisch korrekt neu zu schreiben. Sie sind ein Spiegel ihrer Zeit und sollten das mit allen guten und schlechten Dingen bleiben. Ich halte es allerdings für wichtig, dass Autoren und Kreative der heutigen Zeit Dinge berücksichtigen und sich für Augen führen, dass nur durch ihr Werk eine echte Veränderung erfolgen kann. Wenn wir weiterhin Bücher schreiben, die Frauen und Menschen homosexueller Orientierung diskriminieren, wird auch die Gesellschaft ihre Denkweisen nicht ändern. Hier MUSS zwingend korrekt gehandelt werden. Und hier ziehe ich jeden Autor der heutigen Zeit in die Verantwortung.

Wie ich oben schrieb, ist Clarisse, die unserem männlichen Helden Guy Montag die Augen öffnet und ihn zum Hinterfragen animiert, ein Manic Pixie Dream Girl. Das ist ein in vielen Medien oft verwendetes und mittlerweile ausgelutschtes Klischee: Eine weibliche Figur, deren einzige Rolle und der Sinn ihrer Existenz in einem Medium einzig darin bestehen, dass sie dem meist männlichen Helden die wahre Welt zeigt, ihm die Augen öffnet. Meistens ist sie quirlig und ein bisschen schräg und so anders als der Rest. Es ärgert mich in vielen Büchern und Filmen und Videospielen ungemein, wenn dieses Klischee auch heute noch von Autoren der heutigen Zeit bedient wird. Bradbury sehe ich es nach. Allen Autoren seiner Zeit und davor sehe ich es nach. Autoren der heutigen Zeit allerdings nehme ich es arg übel. Autorinnen sogar noch ein bisschen mehr.

Aber zurück zum Thema Zensur. Guy ist Feuerwehrmann und verbrennt Bücher. Die Vorstellung, dass die Feuerwehr Brände löschte statt Feuer zu legen, erscheint ihm lächerlich. Clarisse ändert sein Leben. Plötzlich sieht er, wie dumm seine Frau ist mit ihren Fernsehserien und der ständigen Berieselei. Ebenso ihre Nachbarinnen. Guys Frau vergisst sogar, dass sie versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Beide erinnern sich nich mehr daran, wie sie sich eigentlich kennengelernt haben. Und irgendwo am Rande droht ein Krieg auszubrechen, aber für den interessiert sich keiner. Tod, Trauer, alles Dinge, die passieren und vor denen man die Menschen beschützen muss, weil es ihr Glück stört.

Bücher bzw. deren Inhalte sind dabei das, was dieses Glück bedroht. Warum? Weil Bücher die Fantasie anregen und die Menschen lehren, Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen, und Dinge zu hinterfragen.

An einem Abend nimmt Guy von einer Verbrennungsaktion ein Buch heimlich mit nach Hause. Es wird erst später klar, dass er das bereits öfters getan hatte und es ihm nicht bewusst war. Doch nun liest er, sich selbst darüber im Klaren, dass es verboten ist. Als würden diese Bücher ihn verändern. Aber eigentlich war es Clarisse, die den Anstoß zu allem gab.

Sie wollte nicht wissen, wie etwas gemacht wird, sondern warum. Das kann unangenehm sein. Frag ständig, warum und du bist am Ende sehr unglücklich.

Personifizierter Gegner von Guy Montag ist sein Vorgesetzter, Captain Beatty, einem Mann, der in Dialogen ein Bücherzitat nach dem anderen bringt und behauptet, dass jeder Feuerwehrmann irgendwann mal in diese Versuchung gerät, ein Buch zu lesen.

Als es klar wird, dass Guy von seiner eigenen Frau und ihren Nachbarinnen angezeigt wurde und die Feuerwehr bei ihm auftaucht, dreht er durch. Er tötet seinen Vorgesetzten und erst im Nachhinein wird im klar, dass der eigentlich sterben wollte. Captain Beatty ist dabei eine sehr komplexe Figur, die dem Leser sehr unsympathisch bleibt. Er ist sehr gebildet und kennt den Inhalt von mehreren Büchern, trotzdem ist er systemtreu bis zum Schluss. Ich persönlich bin überzeugt, dass er sich im Vergleich zu anderen im Buch erwähnten Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzten, über sein Unglücklichsein im klaren war.

An ihm wird es deutlich, dass nicht die Bücher und ihr Inhalt das Problem sind, das Unfrieden stiftet, sondern jeder Mensch für sich.

Seelenruhe, Montag. Beschäftige die Menschen mit Gewinnspielen, wer am meisten Schlagertexte kennt oder Hauptstädte aufzählen kann und dergleichen. Stopfe ihnen den Kopf voll mit nüchterner Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, aber doch >umfassend informiert< vorkommen. Dann glauben sie, denkende Menschen zu sein und vom Fleck zu kommen, ohne sich im Geringsten zu bewegen. Und sie sind glücklich, weil diese Tataschen keinem Wandel unterworfen sind.

Guy flieht und trifft am Ende auf eine Gruppe Landstreicher, die ihn in ihre Mitte aufnehmen. Sie alle sind aus dem System ausgestiegen und wollen dafür sorgen, dass Geschichten und die Inhalte von Büchern nicht in Vergessenheit geraten.

Es gibt in diesem Roman zwei Zitate, mit denen ich vollkommen übereinstimme und die ich selbst für mich schon sehr lange als Lebenseinstellung habe:

Was ich hasse ist ein Römer namens Status quo.

Ein Status Quo steht echter Veränderung im Wege und es gibt leider zuviele Menschen, die den Status Quo beibehalten wollen, koste es was wolle. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dieses Zitat von einem der ‚Landstreicher‘ kommt, einer kleinen Gruppe, die am Rande steht und wartet, ohne tatsächlich zu versuchen, das System zu verändern.

Verlangt keine Sicherheit, so ein Tier hat es in unserer Welt nie gegeben.

Sicherheit gibt es nicht. Als 2016 in meiner Heimatstadt München ein Schüler im Olympia Einkaufszentrum Amok lief, fragten mich danach viele, ob ich mich denn in München überhaupt noch sicher fühlen würde. Meine Antwort lautete damals wie heute: Ja! Leben ist mit Risiko verbunden. Es ist sehr wahrscheinlicher, dass ich beim Überqueren einer Straße vom Auto überfahren werde, als dass mich ein Amokläufer erschießt. Ich habe mir beim Herabtreten von Gehweg vor 7 Jahren so dermaßen schlimm den Fuß umgeknickt, dass mein Sprunggelenk gebrochen und meine Bänder gerissen waren. Das veränderte mein Leben zwar nicht dauerhauft, aber doch für einige Monate und es dauerte insgesamt 18 Monate, bis ich wieder schmerzfrei laufen konnte. Was ich damit sagen will, es kann jeden von uns jederzeit und überall erwischen. Es gibt im Leben nur eine Garantie und das ist die, dass wir alle irgendwann sterben werden. Und ich hasse es, wenn sich Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Oder wenn im Namen der Sicherheit Menschenrechte und Freiheiten eingeschränkt werden.

Wir tendieren nur alle allzugern dazu, zu vergessen, dass wir nur ein Teil dieser Welt sind und dass wir alle vergänglich sind. Es gibt keine Sicherheit.

Fahrenheit 451 war nicht nur damals aktuell sondern ist es auch heute, 50 Jahre später immer noch. Wenn nicht sogar aktueller als je zuvor. Wir Menschen sind nicht ehrlich zu uns selbst. Wir sind wahre Heuchler und wir belügen uns gern. Gegenseitig und uns selbst. Und abgesehen davon sind wir alle faul und bequem. Wir lieben die Annehmlichkeiten und die Bequemlichkeit. Wie wir an Captain Beatty sehen, ist es nicht nur wichtig, Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen. Um wirklich etwas zu verändern, muss man handeln.

Klare Lesempfehlung für diesen Roman, den jeder mal gelesen haben sollte.

Anmerkung: Da es sich bei diesem Buch um ein zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar handelt, muss ich diesen Beitrag als Werbung kennzeichnen. Ich möchte allerdings versichern, dass die verfasste Rezension meine ehrliche Meinung wiedergibt und nicht von der Tatsache, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, beeinflusst wurde. Denn ganz ehrlich, Rezensionen hätten keinen Sinn, wenn sie nicht ehrlich wären. Ich bedanke mich beim Heyne Verlag und dem Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.

 

 

7 Kommentare zu „Bradbury, Ray – Fahrenheit 451

  1. Ich glaube, dass ich die Verfilmung gesehen habe. Was die Sicherheit angeht, stimme ich dir zu. Es gibt sie nicht, aber für die Illusion von Sicherheit werden viele Zugeständnisse an Überwachung & Co. gemacht. Die Angst vor dem Tod steht letztendlich hinter alledem.

    • Die Verfilmung habe ich noch nicht gesehen. Und es ist auch nur natürlich, Angst vor dem Tod zu haben. Der Selbsterhaltungstrieb ist einfach ein Teil allen Lebens. Allerdings denke ich, dass man dieser Angst durchaus begegnen kann, indem man sich der Tatsache stellt, dass der Tod eben auch ein Teil allen Lebens ist. Ich denke, man könnte damit viel entspannter leben.

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