„Das Mädchen“
Originaltitel: The Girl who loved Tom Gordon
Autor: Stephen King
304 Seiten / Taschenbuch
ISBN: 3426508540
Verlag: Knaur

Um zehn Uhr sitzt Trisha noch im Auto ihrer Mutter. Um halb elf hat sie sich im Wald verirrt. Um elf Uhr versucht sie, sich nicht zu fürchten. Nicht daran zu denken, dass Leute, die sich verirren, vielleicht nie mehr zurückkehren. Hunger und Durst, Insekten und wilde Tiere, Einsamkeit und Dunkelheit – Trisha hat dem Grauen der Wälder wenig entgegenzusetzen. Und vor allem nicht dem, was sich aufgemacht hat, sie heimzusuchen …

Trisha ist neun Jahre alt. Und sie verläuft sich im Wald. King nimmt uns in seinem Roman Das Mädchen mit auf Trishas Weg und schafft es, dass man sich auch als Erwachsener zur rechten Zeit angenehm gruselt. Dabei ist es nicht immer das Ding, das Trisha verfolgt, vor dem ich mich gefürchtet habe. Nein, es sind die Momente, in denen Trisha Entscheidungen fällt, bei denen ich mich frage, wie ich wohl selbst reagiert hätte. Hätte ich einfach so einen Fisch gefangen und roh gegessen? Hätte ich das Wasser aus dem Bach getrunken, ohne vorher mehrfach darüber nachzudenken, welche Krankheiten das auslösen könnte? Ich weiß es nicht.

Trisha mutierte vor meinen Augen vom unbeschwerten, aufgeweckten Mädchen zur alten Frau, die von Instinkten getrieben wird, die ihr Handeln bestimmen. Instinkte, die in jedem von uns tief verborgen schlummern. Neun Tage ist Trisha allein im Wald unterwegs. Sie wird von einem Wespenschwarm übel zugerichtet, holt sich einen Brechdurchfall vom Feinsten durch das nicht abgekochte Bachwasser, wandert durch einen Sumpf, an dessen Ende sie einen getöteten Weißhirsch in zwei Teilen findet. Sie wird krank, fiebert und fantasiert. Begleitet wird sie von Tom Gordon, ihrem Lieblingsbaseballspieler der Red Sox, der natürlich nicht da ist. Und immer wieder scheint sie etwas zu verfolgen und sie zu beobachten: Der Gott der Verirrten.

Es wird nie deutlich, wieviel von diesem Gott der Verirrten real oder einfach nur Trishas Einbildung ist. Für sie jedenfalls ist er real. Oder war es am Ende doch nur ein Bär? So richtig, kann man das als Leser nicht sagen, auch wenn die die Perspektive manchmal Trishas Sicht verlässt und von einem dritten Erzähler beschrieben wird. Existiert er also doch?

Bis zum Ende findet sich darauf keine Antwort. Hier kann wohl jeder Leser für sich selbst entscheiden, was echt ist.

Für mich ist das Buch faszinierend und spannend. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass King Menschen schreiben kann. Der Gruselfaktor hier ergibt sich aus der Gesamtsituation. Sich im Wald zu verlaufen ist, so denke ich, für viele Menschen keine schöne Vorstellung. Ein Buch, nicht nur für Stephen King-Fans.

4 Kommentare zu „King, Stephen – Das Mädchen

  1. Ich fand das damals total toll. Diese Atmosphäre im Wald…hammer! Ich weiß aber, dass viele, die sonst auch King lesen, da was völlig falsches im Kopf hatten und enttäuscht waren. Und ich hab das nicht verstanden 😉

    Liebst
    Bine

    • Liebe Bine, ich glaube, Du triffst den Nagel auf den Kopf. Ich denke auch, dass das Problem darin liegt, dass viele etwas ganz anderes erwarten und dann deswegen am Ende enttäuscht sind.

      Die Atmosphäre ist aber auch echt super. Ich bin nach einer Stelle abends mit dem Hund noch fix raus, es war dunkel und kalt und überall knackte es. Da hab ich mich gleich gegruselt, weil ich an den Gott der Verirrten denken musste xD

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