„Der Unsichtbare Killer“
Originaltitel: Great North Road
Autor: Peter F. Hamilton
1133 Seiten / Taschenbuch
ISBN: 3404208498
Verlag: Bastei Lübbe

Newcastle, 2142: Detective Sidney Hurst untersucht den Tatort eines brutalen Mordes und stellt dabei fest, dass ein Serientäter am Werk sein muss. Denn zwanzig Jahre zuvor sind auf dem Tropenplaneten St. Libra Menschen auf dieselbe Weise getötet worden. Angela Tramelo sitzt seitdem für die Tat im Gefängnis – offenbar unschuldig. Also wird ein Expeditionsteam nach St. Libra geschickt, um dort der Sache auf den Grund zu gehen. Doch bald schon schaltet jemand – oder etwas – die Teammitglieder nach und nach aus.

Wenn man Peter F. Hamilton mit einem anderen Autor vergleichen kann, dann würde ich sagen, dass er der Stephen King des Science-Fiction ist. Dabei bezieht sich der Vergleich nicht auf den Horroraspekt, sondern auf das Talent, reale Menschen zu Papier zu bringen und ein Worldbuilding zu betreiben, das seinesgleichen sucht, dazu ein ausschweifender Erzählstil gepaart mit umfangreichem Wortschatz. Ja, sowas muss man mögen, aber es ist nunmal genau mein Ding. Wie King lässt sich Hamilton einfach Zeit, seine Geschichten zu erzählen. Der Unsichtbare Killer ist dabei eines der wenigen Stand-Alone-Bücher aus Hamiltons Feder.

Ich erinnere mich, wie ich das Buch das erste Mal gelesen habe, damals noch als unkorrigierter eArc von Netgalley. Seitdem habe ich es noch zweimal gelesen und jetzt eben das insgesamt vierte Mal.

In Der Unsichtbare Killer beginnen wir in Newcastle-upon-Tyne im Jahr 2143. Eine männliche Leiche wird aus der Tyne gezogen. Detective Sidney Hurst und sein Team beginnen mit den Ermittlungen. Die Identität der Leichte ist zunächst unklar, nur eines steht fest, es ist ein North. Alle Norths sind Klone von Kane North und seinen drei Söhnen, Augustin, Bartram und Constantine. Diese wiederrum haben sich auch wieder geklont durch ihre eigenen Söhne. Dabei gibt es die A-Norths (Söhne Augustins), B-Norths (Söhne Bartrams) und C-Norths (Söhne Constantines). Rätselhaft wird der Fall durch zwei Tatsachen: die eine, dass alle Norths am Leben sind und keiner fehlt. Die zweite, die Art und Weise wie die Leiche aus der Tyne getötet wurde, gab es bereits einmal, und zwar auf St. Libra. Dort wurde 20 Jahre zuvor Bartram North und sein gesamter Haushalt abgeschlachtet. Angela Tramelo, die für diese Tat verurteilt wurde, bestand in all ihren Aussagen darauf, dass der Mörder ein Alien-Monster mit Klingenhänden gewesen sei.

Wir folgen hier also nun zum einen der Ermittlung in Newcastle, die langwierig ist, viele politische Machtspielchen beinhaltet und so einiges aufdeckt. Zum anderen wird eine Expedition nach St. Libra entsandt, um das Alien-Monster ausfindig zu machen, denn offenbar ist Angela Tramelo unschuldig.

Hamilton spickt beide Handlungsstränge mit extrem viel Hintergrundinformationen über die Welt, das geschaffene Universum und die darin lebenden Figuren. Wie in seinen anderen Romanen spielen dabei technologische Innovationen wie implantierte Vernetzungen, systemweite Überwachung, Gateway-Technologie, Klontechnologie und genetische Anpassungen eine große Rolle. Die politischen und wirtschaftlichen Machtkämpfe sind dabei sehr ausgeklügelt und durchdacht. Die Figuren erwachen zum Leben und auf den 1133 Seiten streut Hamilton immer wieder Rückblenden ein, die das Leben der Figuren näher beleuchten. So erfährt man immer nur häppchenweise mehr über Angela und erst im letzten Drittel des Buches ihre Beweggründe, 20 Jahre im Gefängnis zu verbringen, statt die Wahrheit über ihre Herkunft und ihre Motivationen mit Bartram North zu sagen.

Dabei schafft es Hamilton die Spannung langsam aufzubauen und bis zum Schluss aufrecht zu erhalten. Wenn man sich beim ersten Mal lesen die Mühe macht, sich durch die ersten 300 Seiten durchzukämpfen; sich durchzubeißen durch den langsamen Rhythmus der Erzählung, während der alle Figuren nach und nach eingeführt werden; sich nicht von der detailgenauen Beschreibung der Ermittlung in Newcastle abschrecken lässt, dann, ja dann, wird man belohnt. Hamilton führt alle Erzählstränge meisterhaft zusammen und entführt uns in eine Welt, die futuristischer und faszinierender nicht sein kann. Die Spannung ist an manchen Stellen kaum auszuhalten und ein ausführlicher Abschluss nach dem ereignisreichen Höhepunkt sorgen dafür, dass man zufrieden und gechillt das Buch zuklappt und sich darüber freut, ohne dass Fragen offen bleiben.

Wer wie ich ein Fan dicker Wälzer ist, die vollgepackt sind mit gigantischen Ideen, vielen Details und einer Welt, die interessanter kaum sein kann, der ist hier genau richtig. Dabei ist dieses Werk auch für Science-Fiction-Einsteiger etwas, die sich nicht von seinem Umfang abschrecken lassen. Ja, man muss sich darauf einlassen. Ja, man muss diese Art der Erzählweise mögen. Aber wer gern die dicken King-Wälzer liest, der könnte hier auch wahre Lesefreude erfahren.

7 Kommentare zu „Hamilton, Peter F. – Der Unsichtbare Killer

  1. Ich mag es eigentlich, wenn die Erzählung etwas ausführlicher ist. Dann erfährt man mehr über die Personen und ihre Welt und kann sich mehr einleben, finde ich. Ich möchte gerne Erklärungen haben und nicht einfach nur „so ist das eben“.

    • Hamilton macht sich echt viel Mühe mit seinen Romanen. Nicht nur, dass er ausgesprochen gut die Geschichte erzählt, er baut auch immer gigantische Welten. Seine Commonwealth Romane sind einfach der Wahnsinn. Dabei lässt er auch viele technische Erklärungen mit einfließen und echt tolle technische Ideen.

    • Wenn Du es übrigens etwas kürzer versuchen willst, seine Greg Mandel-Bücher (das erste läuft unter dem deutschen Titel „Die Spinne im Netz“, englischer Titel: „Mindstar Rising“ sind auch richtig gut. Ist zwar schon eine Weile her, dass ich sie das letzte Mal gelesen habe, aber sie haben mir immer gut gefallen. Sie sind quasi Krimigeschichten mit Science Fiction Setting. Ach, eigentlich haben mir alle seiner Bücher gefallen. Mir fehlen nur die Chronicles of the Fallers, aber die kommen auch noch. 😀 Ich bin Hamiltonfangirl.

      • Ich bin Thomas Mann und Kleist erprobt, und habe tatsächlich die ganze Forsythe Saga durchgelesen, weil ich immer dachte, dass es irgendwann doch einmal interessant werden würde. Ich bin also nicht so leicht aus der Bahn zu werfen. Was mich in Büchern ärgert ist, wenn dort völlig unmögliche Dinge als möglich dargestellt werden, wie z. B. bei Dan Brown, wo sich jemand auss 10.000 m Höhe (!!!) von einem Hubschrauber aus mit einer Plastikplane nur mit den Händen gehalten nach unten „schweben“ lässt.
        Oder in einem anderen seiner Bücher da werden die „Helden“ von dem Mörder gejagt und alle wissen das. Trotzdem verbringen sie Stunden damit, mit jemandem über philosophische Themen zu diskutieren … hallo, das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Das hält die ganze Handlung auf.

        • Hamilton hat schon gigantische Technikvisionen. Da ist Altbekanntes dabei in Form von Gateways, also Sternentoren oder sowas, oder Nanotechnologie, die Vernetzung des Gehirns mit dem ‚Internet‘, genetische Technologien in Form von Klonen, Verjüngungen, Anpassungen des Körpers hinsichtlich Krankheiten und Erscheinungsbild. In seinen Commonwealth Romanen können Menschen ‚wiederbelebt werden‘ nach ihrem Tod, indem das letzte Backup der Persönlichkeit in einen Klon geladen wird. Interessant finde ich dabei, dass er die Menschheit gut einschätzt, besonders, was ihr Erscheinungsbild angeht, denn wenn man mehrere 1000 Jahre leben kann, dann will man ja nicht ‚alt‘ aussehen. Das macht es für mich immer interessant. Vor allem weil alle Mensche jung und gutaussehend sind, dank der nötigen Technologie. Sex spielt auch eine gewisse Rolle, wobei er dabei nichts perfekt darstellt, sondern es immer aus männlicher und weiblicher Perspektive beleuchtet. Seine Romane sind wirklich lesenswert und vor allem eins, ziemlich episch. Wenn Du Mann und Brown verkraftet hast, dann kannst du mit Hamilton nicht viel falsch machen. 🙂

          • eigentlich schon, ich bin bloss noch nicht dazu gekommen, wirklich in das Thema GN einzusteigen. Auf meiner Liste ist es allerdings. Bei Booknapping und Nadelnerd gibts übrigens auch ganz viel zu Comics und Graphic Novels. 🙂

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