Über die Rezi-Suche kontaktierte mich der Autor und stellte mir sein Buch vor. Die Leseprobe machte in der Tat Appetit auf mehr.

Ray – Die letzte Hoffnung
Autor: William J. Jordan
139 Seiten
ISBN: 978-1973167051
self-published
[Werbung da Rezensionsexemplar]

Ray, Sohn eines Wissenschaftlers, erwacht aus dem Koma. Seine Umgebung ist ihm fremd, der Mann an seinem Bett behauptet, er sei sein Vater, seine Mutter bei einem Angriff von Robotern gestorben und Ray schwer verletzt worden. Weite Teile der Erde werden von Androiden beherrscht. Sie besitzen kognitive Eigenschaften und streben die Vernichtung der Menschheit an, was ihnen zum großen Teil bereits gelungen ist. Überlebende hausen in Verstecken unter der Erde und suchen verzweifelt nach einem Weg, die Erde Richtung Mars zu verlassen. Ray ist ihre letzte Hoffnung. (Quelle: Klappentext)

Viele Autoren und Leser vertreten die Meinung, dass Schreiben ein Quäntchen Talent benötigt und der Rest Handwerk ist, das man lernen kann und an dem man immer arbeiten sollte, damit man nicht einrostet. Bei „Ray – Die Letzte Hoffnung“ fand ich die Idee an sich gut. Gerade im Science Fiction-Bereich bin ich begeistert, wenn es um Roboter und Androiden geht. Da freue ich mich eigentlich immer über neue Bücher. Das Buch kam gestern ins Haus geflattert und das Cover ist echt schön. Allgemein finde ich die äußere Aufmachung des Büchleins umwerfend. Bei 139 Seiten ist man auch sehr schnell durch, deswegen fing ich schon beim Abendessen an mit lesen.

Trotzdem muss ich jetzt so langsam an den Punkt kommen, wie mir das Buch gefallen hat. Und es tut mir immer echt leid, wenn meine Rezension nicht positiv ausfällt. Trotzdem finde ich, dass jeder Autor die ehrliche Meinung verdient, denn gerade aus nicht positiven Rezensionen kann man lernen und erkennen, was man verbessern kann. Und Familie und Freunde sind eigentlich immer diejenigen, die keine Gefühle verletzen möchten (wer tut das schon gern. Ich selbst tu mich grad richtig schwer damit, ehrliche Worte zu formulieren, die nicht weh tun, denn der Autor ist außerdem noch sehr sympathisch).

Die Geschichte beginnt mit Ray, der aufwacht und nicht weiß, wo er ist oder wer er ist. Leider schaffte es das Buch nicht, mich auch nur ansatzweise für Ray zu interessieren. Er blieb die ganze Geschichte über sehr farblos und unbeeindruckend. Mit den anderen Figuren verhielt es sich ganz genauso. Man konnte keine wirklich Beziehung zu irgendeiner Figur aufbauen. Der Autor hetzt regelrecht durch die Geschichte, so dass kein echter Spannungsbogen entsteht, Worldbuilding ist quasi nicht vorhanden. Ich habe das sehr oft bei Selbst-Publishern erlebt, dass sie eine Geschichte im Kopf hatten, die ihren Weg nach draußen bahnen wollte. Ich weiß auch wie das ist, wenn man seine Geschichte erzählen will, den Anfang, die Mitte und das Ende im Kopf hat, aber die große sumpfige Mitte (the great swampy middle) einen vor eine riesige Herausforderung stellt. Leider gibt es im Buch keine Mitte. Es gibt einen Anfang, der absolut nahtlos in die Mitte übergeht und gleich vom Ende gefolgt ist. Dabei geschehen die Dinge gefühlt innerhalb weniger Minuten und man hat keinerlei Orientierung, ‚wann‘ man sich befindet, geschweige denn was das ‚wo‘ ist.

Dazu kommt einiges an Logikfehlern. Dinge, die Ray nach eigener Aussage nicht weiß, dann aber wie durch ein Wunder dem Leser erzählt. Die Dialoge sind teilweise zu hölzern, die Reaktionen der Figuren absolut nicht nachvollziehbar.

Der Science-Part, der nicht nur namentlich zum Genre gehört, geht leider komplett unter. Hier ist die Frage, inwiefern tatsächlich Recherche betrieben wurde. Professor Harald Lesch würde wahrscheinlich die Hände überm Kopf zusammenschlagen.

Zu guter Letzt: Im Buch ist ein Lektorat angegeben. Es mag viele überraschen, aber auf Lektorat lege ich grundsätzlich viel wert, denn im Eifer des Gefechts Schreibens passieren zwangsläufig jedem Menschen Rechtschreib- und Grammatikfehler, die ein zweites Paar Augen ausmerzen kann. Hier kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob das Lektorat einfach nur schlecht gearbeitet hat (sowas unterstelle ich eher selten) oder ob der Autor nach dem Lektorat und vor dem Druck noch Veränderungen vorgenommen hat (halte ich für wahrscheinlicher). Im Buch gibt es viele Grammatikfehler. Bestimmte Artikel, die nicht zum Nomen passten. Falsch verwendete Deklinationen. Das ganze macht das Leseerlebnis leider noch unrunder.

Hätte der Autor hier mehr Wert auf Details gelegt; sich Zeit gelassen, seine Geschichte zu erzählen; sich die Mühe gemacht, seinen Figuren mehr Persönlichkeit einzuhauchen, und noch dazu eine echte Welt aufgebaut, in der die Handlung spielt, dann wäre aus „Ray – Die Letzte Hoffnung“ durchaus ein guter Erstlingsroman geworden. Ich weiß: hätte hätte Fahrradkette. So ist die Geschichte leider ein missglückter Versuch, der mich als Leser nicht mal ansatzweise überzeugen konnte. Und auch wenn es in Zukunft zwei weitere Teile geben soll, bin ich derzeit nicht motiviert, diese zu lesen.

Anmerkung: Ich möchte dem Autor William J. Jordan danken, dass er mir das Rezensionsexemplar übersandt hat. Ich weiß, dass es viel Mut erfordert, sich mit seinem Werk einer ehrlichen Meinung zu stellen. Ich wünsche ihm für die Zukunft trotzdem viel Erfolg und drücke ihm die Daumen, dass er durch weiteres Arbeiten am Handwerk es schafft, einen Roman zu veröffentlichen, der die Leser begeistern wird.

2 Kommentare zu „Jordan, WIlliam J. – Ray – Die Letzte Hoffnung

  1. Hast du toll geschrieben! Ich lese aus deiner Rezi heraus, dass du den Autor wirklich nicht mit deinen WWorten/deiner Meinung verletzten möchtest, dir aber dennoch treu geblieben bist und deine ehrliche Meinung aufgeschrieben hast. So gehört sich das. 🙂

  2. Sehr nett geschrieben. Ich denke, dass sollte auch der Sinn der Rezensionsexemplare sein – die ehrliche Meinung – ich hatte zum Glück bisher immer Glück – aber es waren auch noch nicht so viele. Sehr gut geschrieben Deine Rezi.

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