„Der Fluch“
Originaltitel: Thinner
Autor: Richard Bachman (Stephen King)
445 Seiten / Taschenbuch
ISBN: 3453435788
Verlag: Heyne

Auf diese Rezension habe ich mich jetzt richtig gefreut. Es ist ewig her, dass ich „Der Fluch“ zum ersten Mal gelesen habe und ich erinnere mich daran, dass ich es zwar als OK empfand aber mehr auch nicht. Vielleicht ist es auch das Alter. Als Teenager empfindet man Dinge doch anders, als als Enddreißigerin. Was soll ich also sagen? „Der Fluch“ hat mich aus den Latschen gehauen und mich positiv überrascht. Damit hatte ich ehrlich nicht gerechnet.

Billy Halleck, der in Connecticut lebt und in New York City sein Geld verdient, ist ein guter Ehemann und liebender Vater. Er ist sowohl Nutznießer als auch Opfer des amerikanischen Wohlstands. Aber er hat 50 Pfund Übergewicht.

Dann begegnet Billy Halleck einer alten Zigeunerin. Und sein bisher so angenehmes Leben nimmt eine verhängnisvolle Wendung. Billy verliert plötzlich an Gewicht. Zuerst ist er erfreut darüber, dann beunruhigt, schließlich zu Tode erschrocken. Soviel er auch ißt – er wird immer dünner und dünner…

Der Klappentext ist echt dämlich, wenn ich ehrlich bin. Billy Halleck ist ein liebender Vater. Das stimmt. Ein guter Ehemann ist er in gewisser Weise auch. Aber um erneut ehrlich zu sein, er ist auch ein ziemliches Arschloch. Das ist aber auch der Punkt, der dieses Buch so faszinierend gemacht hat für mich. Denn das Arschlochverhalten ist nicht sofort deutlich. Das kommt erst im Laufe der Erzählung. In gewisser Weise ist es fast pervers, wie man mit Halleck mitfiebert und leidet. Er ist kein guter Mensch. Er hat kein Rückgrat. Und auch seine Frau Heidi hat keins. Alles soll heile Welt sein und bleiben, damit man nichts verändern muss. Die Zigeuner waren mir unsympathisch, was das Mitfiebern für Halleck natürlich noch bestärkte. Und Ginelli, der Mafia-Heini. Meine Güte, was konnte ich den nicht ausstehen. Und trotzdem: Ich habe mitgefiebert und mitgelitten. Und erst auf den letzten paar Seiten wurde mir bewusst, dass ich Halleck dieses Happy-End nicht gönnte. Nein, das hatte er nicht verdient, denn er hatte kein Bisschen daraus gelernt, was ihm geschehen war. Und auch Heidi nicht. Und Ginelli sowieso nicht. Das einzige unschuldige Opfer war Tochter Linda, aber selbst da kam Hallecks Einsicht einfach zu spät.

Billy Halleck begegnet also nicht einfach mal eben aus heiterem Himmel einer Zigeunerin. Ganz im Gegenteil. Er überfährt sie. Da er einflussreiche Freunde hat, kommt er ausgesprochen glimpflich davon. Und erfahren, dass seine Frau Heidi genau den Moment ausgesucht hatte, ihn mit ihrer Hand zu beglücken während der Autofahrt in Folge dessen der Unfall dann passierte, nein das muss keiner. Niemand muss das wissen. Ist ja peinlich genug. Und überhaupt hat die alte Frau ja selbst Pech gehabt. Dass Tadeus Lemke, der Vater der Zigeunerin und ebenfalls seines Zeichens Zigeuner, angesichts der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit die Dinge selbst in die Hand nimmt und Billy Halleck verflucht, ist in gewisser Weise verständlich, macht es aber nicht unbedingt richtig.

Normalerweise bin ich ja der Ansicht, dass jemand, der versehentlich einen anderen Menschen bei einem Unfall schwer verletzt oder tötet, schon gestraft genug ist. Normalerweise! Bei Billy ist es aber so, dass er die Schuld gar nicht bei sich sieht. Er ist froh, dass er nicht verurteilt wird und niemand erfährt, warum der Unfall eigentlich passiert ist. Eigentlich alles Voraussetzung dafür, dass er sein Leben weiterhin unbedarft leben kann wie bisher. Inkl. seiner Frau und seiner Tochter. Aber dann kommt Lemke und verflucht ihn. Und plötzlich wird aus Billy dem Fettsack von Anwalt, ein Mann, der Gewicht verliert, egal wieviel er isst. Erst als ausgeschlossen ist, dass er keine ernst zu nehmende Krankheit hat wie Krebs, beginnt er nachzudenken, was mit ihm geschieht. Und natürlich wird der Fluch dann Thema. Aber statt sich ernsthaft mit seiner Schuld auseinanderzusetzen und Buße zu tun, versucht Billy alles um nicht nur den Fluch loszuwerden sondern auch um die Schuld auf andere abzuwälzen. Der Hass, den er am Ende seiner Frau Heidi entgegenbringt ist einfach nur schockierend. Aber, wie ich schon schrieb, ich denke, das ist genau das, was dieses Buch ausmacht. Dieses ätzende kleine Mistvieh von Mensch umgeben von vielen anderen ätzenden kleinen Mistviechern und trotzdem fiebert man mit, bis einen die Erkenntnis trifft wie ein Schlag. Man will alle einfach nur schütteln und fragen, was falsch mit ihnen läuft. Und man will sich selbst schütteln, und fragt sich, warum fiebere ich hier eigentlich mit? Ich mag den Typ noch nichtmal!

Ich ziehe meinen Hut vor Mr. King, ähm, Mr. Bachman. 🙂

3 Kommentare zu „Bachman, Richard – Der Fluch

  1. Ich habe hier mal in den Film gezappt – aber ich glaube – nie ganz gesehen. Der Film war irgendwie seltsam. Aber zum Lesen – da klingt es eigentlich ganz gut – ich glaube nächstes Jahr müssen auch mal wieder paar King einziehen. 🙂

    • Den Film habe ich glaube ich nie gesehen aber das ist auch ganz gut so, nach allem was ich über den Film gehört habe. Würde ich den Film kennen hätte ich das Buch gleich von vornherein nicht gelesen, aber so bin ich ganz froh drum. Das Buch war echt genial.

      • Ich hatte beim Zappen auch das Gefühl, dass der Film nichts ist – was mich auch wirklich vom Buch weg gehalten hat – aber eigentlich ist es ja schon üblich, dass King Verfilmungen zu 70-80% mies sind – wenigstens die älteren.

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